Kritik und Kontrolle: Der Sinn der 4. Gewalt

Das Konzept der Medien - enger gefasst: der Presse - als sogenannte Vierte Gewalt geht bereits auf die Zeit der Aufklärung zurück. Für die Bundesrepublik hat das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 1972 die „freie geistige Auseinandersetzung“ als ein “Lebenselement der freiheitlichen demokratischen Ordnung“ definiert, die “für diese Ordnung schlechthin konstituierend“ sei. Diese freie geistige Auseinandersetzung, so das höchste deutsche Gericht, „beruht entscheidend auf der Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit, die als gleichwertige Garanten selbständig nebeneinanderstehen“.

Doch in vielen Staaten der Welt ist die Kontroll- und Kritikfunktion der Medien alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Gerade den Zeitungen kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Wo es aber keine unabhängigen Zeitungen gibt, ist es auch bei anderen Medien wie Radio und Fernsehen mit Kritik und Kontrolle meist nicht weit her.

Zwar ist die Zeitungsdichte nicht per se ein Gradmesser für demokratische Hochblüten. Doch in Ländern wie Haiti, Kongo, Usbekistan oder Mosambik, wo die Reichweite der Presse bei weniger als zwei Zeitungsexemplaren pro 1.000 Menschen liegt, kann von kritischer Öffentlichkeit eben keine Rede sein.

Während es bislang aufgrund der technischen Anforderungen an die Herstellung und den Vertrieb einer Zeitung immens schwierig war, eine kritische Presseöffentlichkeit gegen den Willen der Exekutive zu etablieren, haben sich im Internet-Zeitalter neue Wege ergeben. Im World Wide Web braucht man keine Druckerpressen und Zustellsysteme. Dafür ist die technische Anforderung auf der Empfängerseite ungleich höher: Man kann zwar ohne Strom Zeitung lesen (zu-mindest tagsüber), aber keinen Computer betreiben. Auch die Anschaffungskosten liegen deutlich höher, so dass gedruckte Zeitung und Internet weiter parallel die Aufgabe von Kritik und Kontrolle übernehmen müssen.

Doch egal auf welchem Weg das kritische Räsonieren an den Tag kommt: Es geht um die über Jahrhunderte gewachsenen klassischen Zeitungsmethoden der unabhängigen, gründlichen Recherche, der fundierten Kommentierung und Analyse. Das Primat der Zeitung in Sache Kontrolle und Kritik bleibt mit Sicherheit bestehen. Steffen Grimberg