„Da habe ich das Maul zu voll genommen“

INTERVIEW Winfried Kretschmann über seine Glaubwürdigkeitsprobleme bei Stuttgart 21 und seine Wahlkampftipps. Die Bilanz des grünen Regierungschefs nach einem halben Jahr im Amt

BERLIN taz | Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat Fehler im Kampf gegen den Bahnhofsneubau Stuttgart 21 eingeräumt. So hatte er vor der Landtagswahl versprochen, keine Landesmittel für das Projekt mehr bereitzustellen – musste aber später zurückrudern. „Das war das einzige Mal, dass ich das Maul in der Opposition zu voll genommen habe“, sagte Kretschmann der taz. „Deshalb habe ich hier auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.“ Die Grünen gingen – gestützt durch ein staatsrechtliches Gutachten – davon aus, dass eine Mischfinanzierung des Baus durch Land und Bund verfassungswidrig sei, sagte Kretschmann. „Die SPD beruft sich auf ein Gegengutachten. Eine klassische Pattsituation.“

Mit Blick auf den Volksentscheid zu S 21 im November kündigte Kretschmann an, das Votum der BürgerInnen zu akzeptieren. Gleiches erwarte er auch von der Protestbewegung: „Ich persönlich werde den unterirdischen Bahnhof nicht plötzlich für gut und richtig halten, sollte sich eine Mehrheit dafür aussprechen. Aber irgendwann müssen Entscheidungen gelten, und wann, wenn nicht dann, wenn das Volk gesprochen hat?“

Kretschmann äußerte sich auch zum Kurs der Grünen im Bund. Der Politiker, der innerparteilich immer für Koalitionen mit der CDU geworben hatte, schloss diese Option nach der nächsten Bundestagswahl aus: „Meine Prognose ist: 2013 wird es keine schwarz-grüne Koalition geben.“ Er sagte, die Grünen bräuchten die CDU nicht mehr, um die Wirtschaft ökologisch zu modernisieren. Die Unternehmen seien viel weiter, als es die CDU sei, so Kretschmann.

Kretschmann sprach sich für einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent aus, lehnte aber eine Vermögenssteuer oder eine Vermögensabgabe ab. Letztere steht im Grünen-Programm. NAM
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