Afghanistaneinsatz neu gestylt

Kabinett stellt Afghanistankonzept vor. Ziviles Engagement bleibt dürftig

BERLIN taz ■ Das Bundeskabinett hat sich darauf verständigt, die Mandate für die Beteiligung an der Schutztruppe Isaf und die Tornado-Aufklärer der Bundeswehr zu einem einzigen Auftrag zusammenzufassen. Für beide Missionen soll künftig eine Obergrenze von 3.500 Soldaten gelten. In einem überarbeiteten Afghanistankonzept soll außerdem der zivile Aufbau weiter in den Mittelpunkt gerückt werden. Das Konzept wurde von Auswärtigem Amt, Innen-, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium erarbeitet. Das Papier benennt die bisherigen Versäumnisse beim Wiederaufbau am Hindukusch. Dem Justizbereich habe die internationale Gemeinschaft „zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet“. Auch die Menschenrechtslage sei problematisch, „die größte Bedrohung der Menschenrechte geht von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus“. Auch der Korruption und dem Drogenproblem, das „in alle Bereiche des Staatswesens hineinreicht“, ist jeweils ein Abschnitt gewidmet.

Allzu konkret wird das Papier aber nicht, was das weitere Vorgehen angeht. Vor allem bei einem der Hauptversäumnisse der internationalen Gemeinschaft, der Entwaffnung von Milizen lokaler Kriegsfürsten und Drogenbarone, bleiben die Aussagen vage. Der im letzten Jahr verabschiedete London-Compact, der die Entwicklungsziele für Afghanistan bis 2010 definiert, hatte die Zielmarke 2008 für die Entwaffnung vorgesehen. Derzeit jedoch, so räumt die Bundesregierung in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen ein, „erscheint eine erzwungene Entwaffnung politisch nicht durchsetzbar“.

Opposition und NGO-Vertreter kritisieren, dass es der Bundesregierung weiter an einer Strategie für Afghanistan mangele. Die Bundesregierung habe einen „dringend notwendigen Strategiewechsel“ versäumt, erklärte der Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin. Die Erhöhung der zivilen Hilfe von 100 auf 125 Millionen Euro im Jahr sei zu wenig, man müsse den Betrag mindestens verdoppeln. Der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Paul Schäfer, sprach von einer „unheilvollen Fixierung der Bundesregierung auf eine militärische Lösung“. Nach Angaben der Regierung, hat der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan bislang 1,9 Milliarden Euro gekostet, 500 Millionen allein im letzten Jahr. Dagegen nimmt sich das zivile Engagement mit 100 Millionen Euro in diesem Jahr bescheiden aus. Die Hilfsorganisation World Vision kritisierte am Mittwoch das 5:1-Verhältnis von militärischen und zivilen Mitteln. „Eine Umkehrung dieses Verhältnisses wäre angebracht“, sagte der Referent für Friedensförderung, Ekkehard Forberg. ANETT KELLER

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