Innen Senator, außen grün

Die Grünen stehen vor einer Premiere: Einigen sie sich in Berlin mit der SPD in den jetzt begonnenen Gesprächen auf eine Koalition, könnte ihr Berliner Fraktionschef Volker Ratzmann (51) das Innenressort übernehmen – bundesweit ein Novum. Noch bedeutsamer wird es dadurch, dass das in Berlin passiert, dem Ort alljährlicher 1.-Mai-Krawalle.

Ratzmann ist zur zentralen Figur der Grünen geworden, weil sich Renate Künast, bei der Abgeordnetenhauswahl als Spitzenkandidatin gescheitert, wieder auf den Bundestag konzentrieren will und keinen Posten im Senat, der Berliner Landesregierung, anstrebt. Der Mann, der als Innensenator für Polizeieinsätze verantwortlich wäre, stand oft auf der anderen Seite. Ratzmann engagierte sich gegen Atomkraft, setzte sich als Rechtsanwalt für Asylbewerber und Demonstranten ein. In den 80ern lebte er in einer WG mit heute führenden Köpfen der Berliner Linkspartei.

Seither ist er einen langen Weg gegangen. 2001 kam er ins Landesparlament, wurde sofort Fraktionsvizechef und nur zwei Jahre später Vorsitzender. 2008 war er kurzzeitig als neuer Grünen-Bundeschef im Gespräch. In der Partei gehört Ratzmann, der mit der grünen Freiburger Bundestagsabgeordneten Kerstin Andreae verheiratet ist und mit ihr zwei Kinder hat, zum Realo-Flügel und warb lange dafür, sich Optionen jenseits der SPD offenzuhalten. Im Berliner Wahlkampf galt er als einer derjenigen, die Spitzenkandidatin Künast auch mithilfe der CDU zur ersten grünen Regierenden Bürgermeisterin machen wollten, was die Parteilinke weithin ablehnte. Die Option erledigte sich durch die von Mai bis zum Wahltag von rund 30 auf 17 Prozent eingebrochenen Grünen-Werte.

Als Innenpolitiker vergrätzte Ratzmann die linke Szene Berlins, als er sich 2009 im Parlament angesichts einer Welle von Brandstiftungen bei vorwiegend teuren Autos distanzierte: „Es kann nicht angehen, dass selbst ernannte Wächterräte darüber bestimmen, wer mit welchem Wagen wo parken darf.“ Dabei sprach er auch von „Kieztaliban“. Vertreter der Grünen Jugend geißelten die Wortwahl als „Form des Populismus, die wir getrost unserem politischen Gegner überlassen sollten“. STEFAN ALBERTI