kurzkritik
: „Die Möwe“ im Ernst Deutsch Theater

Ein russisches Landgut um 1900: Kostja, verliebt in Nina, hat große Pläne: Er will Schriftsteller werden. Kostjas Mutter, eine alternde Schauspielerin, liiert mit dem erfolgreichen Schriftsteller Trigorin, belächelt seine Bemühungen. Dann Mascha, verliebt in Kostja, und Medwedenko, verliebt in Mascha: Das ist das alte Tschechow’sche Aneinander-vorbei und am Ende ist Nina als mittelklassige Schauspielerin dem Wahnsinn nahe und Kostja erschießt sich. Ein Kammerspiel zwischen einigen Stühlen im karg-zeitlosen Bühnenbild, in dem es von der Decke tropft. Man weiß nicht genau, ob das gewollt ist, aber es passt. Störend ist, das zu Anfang eine Digitalkamera mitspielt. Das Stück selbst hat Metaebene genug.

Das Leben ist nicht leicht, und die Literatur ist nicht einfacher. Trigorin, gekonnt gelangweilt und hin ins Trottelige gespielt von Bernd Grawert, möchte lieber angeln als schreiben. Kostja, von Tim Ehlert als recht kindlicher Möchtegern-Hamlet gezeigt, muss erkennen: Nicht um Erfolg, um Gefühle geht es, und die gehen ins Leere.

Für ein Stück, das von den sibirischen Weiten zwischen den Menschen handelt, kommt Tina Engels Inszenierung tendenziell etwas zu laut und konfrontativ daher. Man wünschte es sich unbestimmter, abgeklärter: weniger Geschrei und mehr leise Töne. Vielleicht lässt sich über die Aufführung sagen, was Kostja über Trigorins Prosa sagt: nett und talentiert. Kann man sich ansehen, muss man aber nicht unbedingt. HANNES LEUSCHNER