Gekommen, um zu helfen

PREISVERLEIHUNG Zum siebten Mal wurden am Samstagabend zwei „HeldInnen des Alltags“ ausgezeichnet. Beide mit viel unermüdlichem Engagement – und Migrationshintergrund

Alle weiteren Infos zur taz-Geno-Versammlung wie zur taz Panter Preis-Verleihung auf taz.de. Besonders die Rede von Elke Schmitter, Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung, ist dort zu lesen: www.taz.de/zeitung/taz-panter-stiftung/rede

AUS BERLIN EMILIA SMECHOWSKI

Der Fleck geht nicht weg. Immer wieder schrubbt die Maskenbildnerin verzweifelt auf dem feinen Anzugstoff herum. Das Make-Up auf Nadelstreifen aber will nicht weichen. Ob vielleicht schwarzer Edding hilft? „Ach, das ist jetzt echt Scheiße“, sagt Ines Pohl. Es ist Samstagabend, noch 20 Minuten, dann muss die taz-Chefredakteurin auf der Bühne des Deutschen Theaters das Publikum begrüßen. Heute ist taz-Panter-Preis-Verleihung.

Hinter der Bühne steigt die Aufregung minütlich, bei den sechs Nominierten, den Bühnenhelfern und den Moderatoren. Wie Gereon Asmuth, dem Leiter der taz-Berlinredaktion – und Katrin Bauerfeind, bekannt durch ihre Internetsendung „Ehrensenf“, die heute Abend „ganz viel Rouge und noch mal Lidstrich“ will, und am Ende lieber selbst zum Pinsel greift. Jurymitglied Jasmin Tabatabai geht „noch schnell auf einen Sekt und Zigarette“ raus, die Kölner Indie-Band „Erdmöbel“ stimmt ihre Instrumente.

Sechs Nominierte hatte die Vorjury von 115 Bewerbern ausgewählt, zwei sollten am Ende mit einem taz Panter Preis und dem Preisgeld von 5.000 Euro, finanziert von der taz Panter Stiftung, das Theater verlassen. Es sind zwei Helden, die nicht in Deutschland geboren sind, aber zu helfen gekommen sind: Kazim Erdogan, der in türkischen Männergruppen in Berlin-Neukölln Väter zum Weinen bringt. Hadja Kitagbe Kaba, die, weit entfernt von ihrem westafrikanischen Heimatland Guinea, gegen die Tradition der weiblichen Beschneidung kämpft.

Ines Pohl und Elke Schmitter begrüßen das Publikum. Gegensätzlicher könnte der Auftritt der taz-Chefredakteurinnen nicht sein, die eine zurzeit, die andere bis 1994 im Amt. Auf der einen Seite lila Krawatte und raspelkurze Haare (kein Edding, sondern ein Namensschild verdeckt am Ende den Fleck), auf der anderen Perlenkette und Hochsteckfrisur. Zum einen improvisierte Worte, zum anderen eine gedruckte Rede. „Es ist immer die Linke gewesen“, sagt Elke Schmitter, „die Mitgefühl und Empörung als zwei Seiten derselben Medaille erkennt, und die jede Art tätiger Hilfe nicht als Almosen begreift, sondern als solidarisches Tun.“

„Merci, merci, merci, encore merci“, sagt Preisträgerin Hadja Kitagbe Kaba

Der Lilienduft der Bühnenblumen beginnt für die ersten Reihen penetrant zu werden, als die zwei Gewinner nacheinander auf die Bühne gerufen werden. Kazim Erdogan, „Held des Alltags“, Gewinner des Jurypreises, steht etwas ungläubig in der Mitte der Bühne und schaut ins Dunkel, auf seinem gelben T-Shirt steht „Sprachwoche Berlin“, er schluckt, als der Kabarettist und Journalist Martin Stankowski seine Laudatio verliest. „Männer, die weinen – das Projekt sollte auf die ganze Republik ausgeweitet werden“, sagt er. Erdogan hilft türkischen Vätern zu kommunizieren. Die im Iran geborene Jasmin Tabatabai flüstert in der ersten Reihe: „Ach, uns fiel in der Jury die Entscheidung echt schwer. Aber ich finde seine Idee, bei den orientalischen Männern anzusetzen, super. Die sind oft so eingesperrt.“

Ergreifend still wird der Saal, als Hadja Kitagbe Kaba von ihrem Verein „Mama Afrika“ erzählt, von Geschichten über tote Babys, die bei der Beschneidung zu viel Blut verloren haben. Umso lauter der Applaus, als sie in ihrem türkisfarbenen Kleid und der Perücke mit den silbernen Perlen auf die Bühne schreitet, um den Panter Preis der taz-LeserInnen entgegenzunehmen. „Merci, merci, merci, encore merci“, sagt sie, ihre Wangen zittern, sie wirft ihren weißen Schal nach hinten. Tochter, Mutter, eine ganze Frauenriege ist gekommen. „Ihre eigene Geschichte zeigt, dass nichts bleiben muss, wie es ist, dass wir zu Veränderungen in der Lage sind“, sagt Jasmin Tabatabai über Kaba. Kaba nämlich wurde selbst beschnitten, im Alter von sieben Jahren.

Ein kurzweiliger Abend, der aber in einem Punkt verwirrt: Wo bleibt das soziale Engagement der Jungen? Die Nominierten an diesem Abend waren ausnahmslos: 50 plus.