LESERINNENBRIEFE
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Politik im Interesse der Mehrheit

■ betr.: „Die erschöpfte Partei“, taz vom 14. 9. 11

Es wäre hilfreich gewesen, wenn Stefan Reinecke die beachtenswerte Bundestagsrede von Gregor Gysi vom letzten 7. September oder die Rede von Lafontaine auf dem Landesparteitag der NRW-Linken vom vorletzten Wochenende verfolgt hätte. Dann hätte ihm auffallen können, dass es nicht „verbalradikale Polarisierungen gegen Rot-Grün“ oder „Mauerdebatten“ oder „Grüße an Fidel“ sind, womit sich die Linke beschäftigt, sondern dass die Themen Demokratie und Verteilungsgerechtigkeit auf den vordersten Plätzen der Agenda der Linken stehen. Das Diktat der Finanzmärkte, das wir jeden Tag vor Augen geführt bekommen, hat ja nicht nur dazu geführt, dass diese Bundesregierung in der Krise ist, sondern dass wir es inzwischen mit einer Krise des gesamten demokratischen Systems zu tun haben. Das fängt an bei den Kommunen, die nicht mehr über ihre Haushalte verfügen können, bis hin zu ganzen Ländern wie Griechenland oder Portugal, die nach der Pfeife eines Zentralkomitees (Troika) tanzen.

Die Linke ist die einzige Partei, die den Zusammenhang zwischen Demokratieabbau und ungerechten Eigentumsverhältnissen benennt, diesen kritisch hinterfragt und Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. Ziel dabei ist nicht eine neue Stasiherrschaft, von der die Linke sich schon x-mal distanziert hat, sondern eine Erneuerung der Demokratie. Nach Lafontaine bedeutet das eine Politik im Interesse der Mehrheit. Dafür ist aber eine Linke als Erneuerungsbewegung „heute so notwendig wie noch niemals in der Geschichte“ (Zitat Lafontaine).

ERNST-W. BELTER, Waltrop

Uneindeutigkeit ist greifbar

■ betr.: „JA, wir waren eindeutig“, sonntaz 18. 9. 11

Mit der „Eindeutigkeit“, auf die sich „Denker“ Kurt Scheel im Interview beruft, ist es zumindest bei der Frage nach dem „Wutbürger“ nicht allzu weit her.

Zwei Fragen drängen sich auf: Was wird von den Wutbürgern denn eigentlich „menschheitsgeschichtlich aufgeblasen“ und „Über allem schwebt so ein moralisches Ding“? Hier ist die Uneindeutigkeit mit Händen zu greifen. Und wenn Herr Scheel meint, dass die Proteste und der Widerstand gegen Stuttgart 21 mit dem fehlenden Bürgerwiderstand in der Nazizeit zu tun hätte, dann offenbart er mit dieser absurden Fehleinschätzung seine offenbare Unkenntnis des Protest hintergrunds in Stuttgart. Hätte er regelmäßig die S-21-Artikel zum Beispiel in Kontext gelesen, wüsste er auch, warum es in Baden-Württemberg den ersten grünen Ministerpräsidenten gibt.

ULRICH VIEFHAUS, Ostfildern

Nicht nur „meckern“

■ betr.: „Vom Wutbürger zum Gutbürger“, taz vom 17. 9. 11

Vielleicht ändert sich ja etwas? Derzeit mache ich die Erfahrung, dass sich oftmals erst „eingemischt“ wird, wenn der Bagger vor der Tür steht. Obwohl eine Vielzahl von Beteiligungsmöglichkeiten bereits heute gegeben sind. Ein konkretes Beispiel: Die Gemeinde möchte von Eltern wissen, ob Interesse an Ganztagsschulen besteht. Die Resonanz, trotz mehrfacher Bekanntmachung, ist enttäuschend. Das hat dann zur Folge, dass keine Ganztagsplätze entstehen werden. Spätestens in zwei Jahren wird sich dann darüber beklagt werden. Als Gutbürger muss man sich eben mit den Dingen auseinandersetzen und nicht nur „meckern“. HARALD GUGGENMOS, Zeltingen