Absage an Finanzmarktsteuer und Konjunkturprogramme

EUROKRISE I EU-Finanzminister streiten bei Gipfel untereinander – und mit ihrem US-Kollegen

Ein Scheitern des Euro hätte „katastrophale Folgen“ für die Weltwirtschaft, so Geithner

BRÜSSEL taz | In der Europäischen Union wird es vorerst keine Finanzmarktsteuer geben. Die EU-Finanzminister konnten sich bei ihrem Treffen in Breslau am Wochenende nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Zwar will die EU-Kommission in der kommenden Woche einen Entwurf vorlegen, wie Binnenmarktkommissar Michel Barnier ankündigte. Weder in der EU noch in der Eurogruppe zeichnet sich jedoch eine Mehrheit für eine modifizierte „Tobin-Tax“ ab.

Auch ein europäischer Alleingang, wie ihn Deutschland und Frankreich fordern, bleibt umstritten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will zwar weiter für die Finanztransaktionssteuer werben, die die Spekulation eindämmen soll. Er räumte jedoch ein, dass ein Alleingang in der schwarz-gelben Koalition in Berlin umstritten ist. In der EU sträuben sich vor allem Großbritannien, Italien und Schweden gegen ein Vorpreschen. Auch die USA sind gegen eine Finanzmarktsteuer.

Streit gab es in Breslau auch über die Hilfe für das überschuldete Griechenland und die Eurorettung. US-Finanzminister Timothy Geithner hatte ein entschlosseneres Vorgehen der Europäer gefordert, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Der Eurorettungsschirm EFSF müsse aufgestockt werden, außerdem sollten die Europäer das Wachstum ankurbeln, forderte er. Sollte der Kampf gegen die Eurokrise scheitern, werde dies „katastrophale Folgen“ für die Weltwirtschaft haben, warnte Geithner. Doch Schäuble und seine Amtskollegen ließen den Gast aus Washington auflaufen. Kaum verhohlen warfen sie ihm Arroganz und Unwissen vor: Für Konjunkturprogramme sei kein Geld da, entgegnete Schäuble; wer nicht Mitglied des Euro sei, solle auch nicht über den EFSF reden, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker.

Eine Abfuhr holte sich auch Griechenland. Das hochverschuldete Land wartet dringend auf neue Finanzhilfen, um die drohende Pleite abzuwenden und Gehälter und Pensionen zu zahlen. Doch Schäuble und Co verschoben die Entscheidung über die eigentlich im September fällige Tranche von 8 Milliarden Euro auf Oktober. Die Eurokrise geht damit in eine neue Runde – statt sich, wie von den polnischen Gastgebern erhofft, zu entspannen. Auch das Verhältnis zu den USA ist nach dem Treffen in Breslau angespannt.

Nur in einer Frage konnten die Finanzminister Erfolg melden: Die seit Monaten geplante Reform des Stabilitätspakts für den Euro ist endlich in trockenen Tüchern. Sanktionen gegen Haushaltssünder können nach der nun erzielten Einigung früher verhängt und härter bestraft werden. Zudem will die EU künftig auch die Leistungsbilanz ihrer Mitgliedstaaten prüfen – Defizitländer wie Griechenland müssen sich dann ebenso rechtfertigen wie der Exportmeister Deutschland. ERIC BONSE