Hat die „Firma“ mitgehört?

HANDYDATENAFFÄRE In einem vertraulichen Brief des Bundesdatenschutzbeauftragten tauchen Indizien auf, dass auch der Bundesverfassungsschutz Handydaten abgefischt hat

Schaar beklagt, dass seine Beanstandung „gravierender Rechtsverstöße“ wirkungslos bleibe

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

DRESDEN taz | Bei der Mobilfunküberwachung in Dresden am 19. Februar dieses Jahres ist möglicherweise auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, im Spiel gewesen. Das glauben Teile der Linkspartei im Sächsischen Landtag. Anlass dazu gab ein Schreiben des Bundesdatenschutzbeauftragten, Peter Schaar, das der taz vorliegt.

Darin geht es um die rechtswidrige Verwendung von Daten, die das BfV durch den Einsatz sogenannter IMSI-Catcher erworben hat. Diese funktionieren wie ein Mobilfunksender und können personenbezogene Handydaten wie auch Gesprächsinhalte erfassen.

Das vertrauliche Schreiben vom 5. August ist an den Vorsitzenden des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, und andere Ausschussobleute gerichtet. Schaar beklagt darin, dass seine Beanstandung „gravierender Rechtsverstöße“ hinsichtlich des Einsatzes von IMSI-Catchern wirkungslos bleibe.

Mit dieser allgemeinen Bestätigung des IMSI-Catchereinsatzes durch das BfV sehen Teile der Linksfraktion in Dresden ein Rätsel um die brutale Erstürmung des „Hauses der Begegnung“ durch die Polizei am Abend der Antinazidemonstrationen am 19. Februar gelöst. Bislang war nur der Einsatz eines Catchers für zwei konkrete Rufnummern eingeräumt worden. Dabei wurden aber laut Staatsanwaltschaft Dresden keine Gesprächsinhalte aufgezeichnet.

Der Durchsuchungsbeschluss im Zuge von Ermittlungen gegen eine angebliche kriminelle Vereinigung legte aber abgehörte Gespräche zugrunde – u. a. eine angebliche Aufforderung zu Attacken auf Neonazibusse in Freital. Deshalb wurde seit Monaten der Einsatz eines zweiten Catchers vermutet. „Wir haben zwei und zwei zusammengezählt“, sagt Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik in der Linksfraktion des Landtags.

Am fraglichen Tag war an der Tankstelle neben dem Haus der Begegnung ein offenkundig leerer Lieferwagen mit Regensburger Kennzeichen beobachtet worden. Darin: eine Frau mit Laptop. Auch in der Nähe: ein Beobachter an der Straße. Ein Sprecher des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz antwortete auf Nachfrage ausweichend: Das Landesamt sei nicht befugt, einen IMSI-Catcher einzusetzen. Zum Einsatz durch andere Stellen könne man nicht Stellung nehmen.

Unterdessen sieht sich der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig nach seiner Kritik an der Verhältnismäßigkeit der massenhaften Dresdner Funkzellenauswertung einer regelrechten Kampagne ausgesetzt. Der sächsische Richterverein warf ihm Kompetenzüberschreitung und einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung vor. Das CDU-geführte Innenministerium präsentierte ein Gegengutachten des Berliner Verfassungsrechtlers Ulrich Battis, der das Vorgehen für angemessen hält.

Schurig verweist hingegen auf seinen vom gesamten Landtag bestätigten Prüfauftrag und seine Pflicht zur Kontrolle der Exekutive. Der Richterbeschluss, der der Anfrage zugrunde liegt, werde selbstverständlich auch erst durch ein Gericht bewertet.

Internationale Dimensionen erhält die Affäre durch eine schriftliche Anfrage der tschechischen Abgeordneten Marie Nedvedova an den tschechischen Innenminister Jan Kubica. Die Abgeordnete der Kommunistischen Partei will in ihrem Schreiben vom 1. September wissen, ob das tschechische Innenministerium von der sächsischen Polizei darüber informiert wurde, dass auch Daten tschechischer Bürger und Abgeordneter erfasst wurden, die an den Demonstrationen am 13. und 19. Februar teilnahmen. Außerdem fragt Nedvedova, ob das tschechische Ministerium Daten mit der sächsischen Polizei austauscht.