Am Ende wartet das Irrenhaus

Der britische Künstler David Hockney hat nicht nur farbenfrohe Popart produziert, sondern auch Radierungen wie den Zyklus „A Rake’s Progress“. Der erzählt die Geschichte des Anti-Helden Tom Rakewell und ist derzeit in der Hamburger Kunsthalle zu sehen

Ein Swimmingpool unter blauem kalifornischen Himmel, ein verlassener Stuhl vor einem Stück moderner Architektur: Einzig das aufgespritzte, aber nun wie festgefrorene Wasser zeugt in dem Bild „The Bigger Splash“ davon, dass just noch ein Mensch hier war und von dem gelben Sprungbrett sprang. Auch wenn diese wohl bekannteste Arbeit des britischen Künstlers David Hockney von der Abwesenheit der Menschen berichtet, spielen Menschen und deren Porträtierung eine Hauptrolle im Oeuvre Hockneys. Den Anfängen seines oft recht farbintensiven und zur Popart gerechneten Schaffens widmet anlässlich seines siebzigsten Geburtstags nun die Hamburger Kunsthalle eine kleine, aber sehr sehenswerte Ausstellung früher Radierungen aus den 60er Jahren.

Titelgebend für die Ausstellung ist Hockneys erste, 1961 entstandene Radierung: „Myself and my Heroes“, worin Hockney sich selbst als schmächtigen Intellektuellen neben Mahatma Gandhi und Walt Whitman stellt. Vorhanden ist diese Radierung jedoch lediglich als Zitat auf einem der 16 Blätter seines Zyklus „A Rake’s Progress“, der neben einer Reihe von Illustrationen zu Gedichten des griechischsprachigen Lyrikers Kavafis den größten Teil der gezeigten Werke ausmacht.

„A Rake’s Progress“, in etwa: „Der Werdegang eines Liederlichen“, ist Hockneys Nacherzählung der gleichnamigen Bilderfolge des Engländers William Hogarths, der diese Anfang des achtzehnten Jahrhunderts zur moralischen Ermahnung schuf. Die Geschichte des Anti-Helden Tom Rakewell beginnt mit dem Erbe des väterlichen Vermögens und endet in der Irrenanstalt Bedlam. Dazwischen liegen Prahlerei, Hurerei, Trunksucht, Glücksspiel und ein Gefängnisaufenthalt: alles in acht Bildern.

Hockney aber nimmt sich sechzehn Blätter Raum, um parallel zu diesem Werdegang seine 1961 erfolgte Reise nach New York aufzuarbeiten: Wie in einem Schelmenroman, mal kritisch, mal opportun, stolpert Hockney durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten um dort zu enden, wo schon Tom Rakewell endete: In der Irrenanstalt Bedlam. Uniformiert mit Baseballkappe und Taschenradio.

Der zweite Teil der Ausstellung präsentiert Illustrationen, in denen sich Hockney der Lyrik des 1933 verstorbenen griechischen Dichters Kavafis annähert. Dabei geht es oftmals um die Schönheit des männlichen Körpers: Mit wenigen, konzentrierten und sanften Linien gezeichnet, liegen junge Männer in Betten, aufgehoben oder ausgeliefert irgendwo im Werweißwo des Papierraums. Nur wenige der insgesamt dreizehn Radierungen verlassen dieses erträumt anmutende Schlafzimmer mit seinen keineswegs schwülstig, eher nüchtern homoerotischen Szenarien. Es handelt sich bei diesem zweiten Zyklus um recht stille Arbeiten, die, wo „A Rake’s Progress“ durchaus den Intellekt anspricht, eher eine gewisse Ruhe vermitteln und auch fordern.

HANNES LEUSCHNER

bis 6. Januar 2008 im Janssen-Kabinett der Hamburger Kunsthalle