WikiScan Down Under

Australische Politiker sind fleißig beim Verändern von Einträgen der Online-Enzyklopädie Wikipedia

CANBERRA taz ■ Wie Medien am Freitag berichteten, haben Mitarbeiter des australischen Premierministers John Howard tiefgreifende Änderungen an Wikipedia-Beiträgen vorgenommen, in denen die Regierung kritisch dargestellt wird oder die von Lesern negativ interpretiert werden könnten. So wurde etwa beim Eintrag zu Schatzkanzler Peter Costello der Spitzname „Kapitän Grins“ entfernt. Das sehr eigene Lachen des Spitzenpolitikers wird von Wählern immer wieder als Beweis für den Mangel an Ehrlichkeit gewertet.

Bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia können Internetbenutzer selbst Einträge vornehmen, die wiederum von anderen Nutzern verändert und weiterentwickelt werden – bislang anonym für den Leser. Doch das neue, ebenfalls kostenlose Suchprogramm WikiScanner erlaubt jetzt, die digitalen Spuren bis zum Computer zurückzuverfolgen, auf dem die Anpassungen vorgenommen wurden.

Beamte im australischen Verteidigungsministerium identifizierte der WikiScanner als besonders aktive Wikipedia-Bearbeiter. Sie sollen mehr als 5.000 Artikel „verschönert“ haben, so die Zeitung, die den Skandal aufdeckte. Texte zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 seien ebenso betroffen wie Pentagon-Dokumente aus der Vietnamkriegs-Ära. Eine Eintrag zur umstrittenen australischen Praxis der jahrelangen Inhaftierung von Asylsuchenden wurde abgemildert. So wurden „inhumane Bedingungen“, unter denen die Flüchtlinge leben, durch das Wort „angeblich“ ergänzt. Das Verteidigungsministerium hat seinen Mitarbeitern inzwischen verboten, Wikipedia-Einträge abzuändern. Die Einträge könnten als „offizielle Meinung“ der Regierung interpretiert werden, so ein Sprecher.

Nicht nur in Australien sind offizielle Stellen mit Hilfe des WikiScanners als Urheber von Veränderungen in Wikipedia-Einträgen aufgeflogen. So berichtete die BBC kürzlich, dass Mitarbeiter der CIA den Wikipedia-Eintrag über Irans Präsidenten Ahmadineschad verändert haben sollen. In den USA wurden außerdem Fälle bekannt, in denen Kongress-Mitarbeiter Informationen über Politiker ergänzt oder gelöscht haben.

Für Virgil Griffith, den Erfinder des Scannerprogramms, hat sich die Arbeit gelohnt: „Mein Ziel war es, ein massives Feuerwerk von Public-Relations-Katastrophen zu schaffen, an dem sich die ganze Welt freuen kann“.

URS WÄLTERLIN