LESERINNENBRIEFE
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Sie haben es gewusst

■ betr.: „Ein äußerst lukratives Geschäft“, taz vom 3. 1. 15

Die EU, vor allem die liberalen Kräfte sowie die Befürworter des Neoliberalismus und der Globalisierungspolitik können nicht sagen, sie haben davon nicht gewusst und sie seien nicht gewarnt worden. Seit vielen Jahren wird darauf hingewiesen, dass diese Form der modernen Kolonial- und Ausbeutungspolitik durch die Großkonzerne zwangsweise zur riesigen Flächenverarmung führen muss, dass Europa eine Völkerwanderung in diesen Ausmaßen bevorsteht und dass die ausgebeuteten Völker an unsere Türen klopfen werden, und dies zu Recht.

Wenn man schon bei uns in Europa, speziell in der EU, nicht bereit und willig ist, die Ursachen der Massenwanderung aus der verarmten und ausgebeuteten afrikanischen Welt zu erkennen und zu beseitigen, sollte man sich überlegen, ob diese Schleusermethoden nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden sollten. Da diese Grausamkeiten teilweise auf offener See praktiziert werden – die See ist in vieler Hinsicht ein rechtsfreier Raum –, sollten hier rigoros Prozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verhandelt werden. Die Methoden der Schleuser haben zwischenzeitlich mafiosen Charakter angenommen. Die EU in Brüssel täte gut daran, sich an die Wurzeln, neben der wirtschaftlichen Globalisierungspolitik, heranzumachen. Auch täte sie der Menschheit etwas Besseres, wenn sie, anstatt kleine und mittlere Betriebe mit ewig neuen umfassenden kleinlichen Vorschriften zu traktieren, in den Ursprungsländern tätig würde. GEORG DOVERMANN, Bonn

Sie sind EU-BürgerInnen

■ betr.: „Auf den Spuren der Generation E“, taz vom 3. 1. 15

Schon die einführenden Sätze gleich zu Anfang machen deutlich, was die „EU-Freizügigkeit“ bedeutet: 500 Millionen EU-Bürger sind, wenn sie in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben und arbeiten, den dortigen Inländern weitgehend gleichgestellt, also die EU ist praktisch ein Wanderungsraum für eine halbe Milliarde Menschen. Ist es da angebracht im Bezug auf die Südeuropäer, wenn sie nach Deutschland kommen, noch – wie in den Artikeln und auch sonst in der Berichterstattung – von „Ausländern“ zu sprechen? Sie sind EU-Bürger, die von einem europäischen Grundrecht Gebrauch machen. Sie sind – wie wir – Bürger einer Europäischen Union, die sich irgendwo zwischen Staatenbund und Bundesstaat in ihrem Entwicklungsstand befindet.

Das Begriffspaar „Ausländer – Deutscher“ bildet diese Realität nicht ab, es ist insofern überholt. Also bitte: nächstes Mal zumindest „ausländische Unionsbürger“, wenn es um spanische, polnische oder italienische Zuwanderer geht!

MARTIN LEDER, Dresden

Elegantes Outfit, so what?

betr.: „Danke, Frau Merkel“, taz vom 2. 1. 15

Wieso danke? Frau Merkel ist doch strategisch dann zur Stelle, wenn sie auf Mehrheiten hoffen kann. Als friedlich studierender 68er Student und heutiger Freidenker überzeugt mich Merkels Haltung kaum.

Wie wäre es, liebe Frau Merkel, wenn Sie sich einmal mit den geistigen Haltungen eines Voltaire beschäftigen würden? Ihr Outfit ist elegant, so what? Schön aber ist es, wenn Sie im ritualisierten Lob unserer WM-Jungs doch tatsächlich die Frauen-Fußballmannschaft erwähnen. KLAUS-G. WALTHER, Reinbek

Verstoß gegen Grundgesetz

■ betr.: „Schneller abschieben“, taz vom 3. 1. 15

Da setzt sich die Kanzlerin endlich hin und bezieht tatsächlich Stellung gegen die Parolen der Pegida und erntet Lob dafür. Wobei ich persönlich glaube, sie hat mit dieser Stellungnahme so lange gewartet, bis sie sicher sein konnte, der Mehrheit anzugehören, und dann kommen die Bundestagsabgeordneten der „christlichen“ CSU daher und werben ganz offen für Verstöße gegen das Grundgesetz beim Umgang mit Antragstellern für Asyl. Da diese Abgeordneten nur in Bayern gewählt werden können, frage ich mich allen Ernstes, wie hält es die bayerische Bevölkerung generell mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik?

Aber zynisch könnte ich ja auch feststellen, dass eine Weltoffenheit in die engen und verfilzten Täler der Alpen und Voralpen nicht hineinpasst und der Feudalismus der Großbauern und Sägemühlenbesitzer noch fröhliche Urständ feiert. Und wenn die Gesellschaft schon betrogen wird (wer betrügt fliegt), dann aber nur von christsozialen Politikern. ALBERT WAGNER, Bochum

Unerträgliches Phänomen

■ betr.: „Das Letzte“, taz vom 29. 12. 14

Lieber Josef, zunächst mal vielen Dank für die tolle Kolumne zur Frage, ob man über Pegida Witze machen darf. Du hast mir mit Deinen Worten dermaßen aus der Seele gesprochen, wie es noch niemand sonst seit den vielen Veröffentlichungen von Kommentaren über dieses unsägliche und unerträgliche Phänomen geschafft hat.

Ja und dann einfach ein großes Danke für Deine vielen anderen Kolumnen, die ich stets gerne gelesen habe und die ich nun sicher vermissen werde! Schade, dass Du aufhörst. Alles Gute für Dich, nicht nur fürs neue, sondern für alle kommenden Jahre. Ade!

STEFANI SCHALL-UHL, Heidenheim