Monokultur in der Samenbank

Jedes zehnte Paar, das bei der Berliner Samenbank Hilfe sucht, ist nichtdeutscher Herkunft. Doch türkische, arabische oder indische Spermien sind Mangelware

Künstliche Befruchtung ist das Zauberwort für viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Auch wenn der Mann keine Samenfäden hat, zeugungsunfähig ist, braucht das Paar den Babywunsch nicht aufzugeben. Seit es in vielen größeren Städten Samenbanken gibt, können Kinderlose mittels Spendersamen die Familienplanung realisieren. Was aber tun, wenn ein türkisches oder ein deutsch-afrikanisches Paar sich ein Baby wünscht? Ein blonder, blauäugiger Spender ist für gemischte oder nichtdeutsche Eltern inakzeptabel. Und hier fängt das große Fiebern an, denn Spermien nichtdeutscher Herkunft sind auf dem Berliner Samenmarkt Mangelware.

Der fensterlose Raum ist mit meterhohen grauen Kanistern vollgestellt. Auf den ebenfalls grauen Deckeln schimmern gelbe Buchstaben: SSP und EZ – Spendersamen und Eizellen. David Peet legt den Schlauch zur Seite, mit dem er den flüssigen Stickstoff in einen Behälter nachgefüllt hat. Der weiße Dampf hält den Inhalt bei minus 196 Grad über viele Jahre einsatzbereit. „Das Material, das hier lagert, ist extrem kostbar, hier schlummert potenzielles menschliches Leben!“, sagt der Mediziner Peet. In den rund 20 Tanks lagern nämlich mehrere Milliarden Spendersamen und mehrere tausend befruchtete Eizellen. Trotzdem kann Peet nicht immer alle Wünsche seiner Klienten erfüllen.

David Peet ist Geschäftsführer der Berliner Samenbank und leitet gemeinsam mit Peter Sydow die „Praxisklinik für Fertilität“. Die Klinik für künstliche Befruchtung also. Jedes zehnte Paar, das zu ihm kommt, ist nichtdeutscher Herkunft. Und immer wieder kommt es zu Engpässen in der Samenwirtschaft: „Wir haben leider sehr wenige türkische Spender und keine arabischen Spender.“

Ganz rar sind in Berlin auch Samen aus Gegenden wie Indien, aus Schwarzafrika oder aus dem fernöstlichen Gebiet, denn: „Es gibt gewisse religiöse Probleme bei der Samengewinnung durch Masturbation. In bestimmten Gebieten ist es nicht vorstellbar, dass man Hand an sich legt zum Zwecke der Samengewinnung und nicht zum Zwecke der sich ganz direkt daraus ergebender Schwangerschaft bei der Frau. „Da hilft auch eine Aufwandsentschädigung von 105 Euro pro Spende nichts.“

Der Glaube spielt auch bei der Auswahl der Spender eine große Rolle. Einige Paare, die sich für künstliche Befruchtung entscheiden, würden gezielt nach muslimischen oder jüdischen Spendern fragen. Aus medizinischer Sicht sei eine solche Einschränkung zwar unsinnig, so Peet. Dennoch sei es bei vielen Samenbanken weltweit Usus, wenn es in der Gegend einen größeren Bevölkerungsanteil jüdischer Menschen gibt, bei der Samenspende die Religionszugehörigkeit zu erfassen: „Denn das Verlangen nach rein jüdischer Fortpflanzung ist groß.“

Doch wenn der Wunsch nach dem Stammhalter stärker ist als die gesellschaftlichen Konventionen, sind zukünftige Eltern zu Kompromissen bereit. So komme es vor, dass ein türkisches Paar auch einen deutschen Samenspender akzeptiert. Natürlich nur, wenn die zukünftigen Eltern auch Familienangehörige haben, die nicht unbedingt braunäugig und schwarzhaarig sind. Ein blauäugiger Großvater oder eine dunkelblonde Cousine bieten ein solides Alibi für das Aussehen des Kindes.

In der Praxis in der Nähe des Gendarmenmarkts ist es fast andächtig still. Hin und wieder huscht eine Schwester vorbei. Das Labyrinth aus engen Fluren führt an Operationssälen, Behandlungszimmern, dezent erotisch gestalteten Spender-Räumen, nüchternen Labors mit prosaischen Mikroskopen und Reagenzgläsern vorbei. In dem wuchtigen Brutschrank, der an einen alten kultigen Kühlschrank erinnert, lagern heute „nur“ 20 bis 30 befruchtete Eizellen beziehungsweise Embryonen. David Peet klopft sanft an die Wand eines massiven weißen Safes. Bald soll der Inhalt des Schranks auf die Patientinnen übertragen werden. Dann heißt es: abwarten. Und je nachdem, welche Nationalität oder Religionszugehörigkeit die Frau hat, schmunzelt David Peet, „heißt es in neun Monaten vielleicht: Inschallah!“ VERA BLOCK