Russische Oppositionelle ist wieder frei

Larissa Arap kann Psychiatrie verlassen. Mitte der Woche verhandelt ein Gericht erneut über Zwangsbehandlung

BERLIN taz ■ Die russische Oppositionelle Larissa Arap wird nicht länger in der psychiatrischen Klinik in Apatity bei Murmansk festgehalten. Dies teilte Elena Wasiljewna von der Murmansker „Bürgerfront“ der taz mit. Auch russische Nachrichtenagenturen, die Zeitung Nowaja Gazeta und der Sender „Echo Moskau“ berichteten über die Freilassung der Aktivistin der „Bürgerfront“. Am Morgen des 20. August, so Elena Wasiljewna, habe ein Arzt Larissa Arap mitgeteilt, dass sie sofort entlassen werde. Wenig später habe ihr Mann Dmitri sie abholen können. Noch am Tag zuvor hatten die Ärzte in einem Gespräch mit den Verwandten nichts von der bevorstehenden Entlassung verlauten lassen.

Ihr hätten bereits zahlreiche Anrufer gratuliert, berichtete Larissa Arap in einem Gespräch mit der taz. „Doch leider gibt es keinen Grund zu Glückwünschen. Die Situation ist sehr schwierig. Am 22. August wird ein Gericht erneut über meinen Zwangsaufenthalt verhandeln“, sagte sie. Kurz vor ihrer Entlassung habe ihr der Chefarzt gesagt, dass dieser Prozess damit enden könnte, dass sie erneut gegen ihren Willen in die psychiatrische Klinik müsse. Auf die Frage, wie sie dort behandelt worden sei, antwortete Larissa Arap: „Schlecht hat man mich behandelt, aber nicht alle in der Klinik haben das getan.“ Auch sei sie Gewalt ausgesetzt gewesen. Sie fühle sich sehr schlecht und hoffe sehr auf einen positiven Ausgang des für den 22. August angesetzten Verfahrens.

Am 5. Juli war Larissa Arap in die psychiatrische Klinik im Gebiet Murmansk gebracht worden. Die Zwangseinweisung von Arap hatten die Klinikärzte damit begründet, dass Arap eigen- und fremdgefährdend sei. Aus Protest gegen ihre Einlieferung war sie zweimal in einen mehrtägigen Hungerstreik getreten.

Am 18. Juli hatte ein Gericht in erster Instanz die Notwendigkeit der psychiatrischen Zwangsbehandlung bestätigt. Obwohl sich eine unabhängige Ärzte- und Psychiaterkommission, die vom russischen Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin nach Murmansk geschickt worden war, gegen eine Zwangsbehandlung der Oppositionellen ausgesprochen hatte, entschied ein Gericht am 10. August in zweiter Instanz erneut, dass diese fortgeführt werden müsse.

Neben der unabhängigen Ärzte- und Psychiaterkommission des russischen Menschenrechtsbeauftragten hatte sich auch die New Yorker Journalistenvereinigung Committee to Protect Journalists für die Freilassung von Larissa Arap eingesetzt. In einem Schreiben an Russlands Präsident Wladimir Putin vom 14. August hatte die Organisation die sofortige Freilassung der Oppositionellen gefordert. Larissa Arap ist aktives Mitglied der oppositionellen „Bürgerfront“ des früheren Schachweltmeisters Garri Kasparow. Bereits 2004 hatte sie gegen ihren Willen zwei Monate in der Psychiatrie verbracht, nachdem sie finanziellen Missständen in ihrer Wohnkooperative nachgegangen war. Stein des Anstoßes dieses Mal: In einem aufsehenerregenden Artikel für die oppositionelle Zeitung „Der Marsch der Unzufriedenen“ hatte Arap kürzlich die Zustände in der psychiatrischen Klinik des Bezirks Murmansk angeprangert. In ihrem Bericht, der sich auf Gespräche mit Patienten und deren Eltern stützt, hatte sie beschrieben, dass das Klinikpersonal gegenüber jugendlichen Patienten häufig an Folter grenzende Gewalt anwende und auch Elektroschocks einsetze.

BERNHARD CLASEN