nebensachen aus almaty
: Sprudelnde Ölquellen lassen das günstige Transportsystem versiegen

Ein Reisender hatte bisher in den Städten Zentralasiens nie ein Transportproblem. Einfach an den Straßenrand gestellt, die Hand ausgestreckt und „abgestimmt“, wie die dazu vorgesehene winkende Bewegung in der Region zwischen Kaspischem Meer und chinesischer Grenze genannt wird, in der sonst Demokratie eher unüblich ist. Nach wenigen Sekunden stoppt dann meist in Bischkek, Duschanbe oder Taschkent ein Auto. Der Preis wird ausgehandelt, und ab geht die Fahrt.

In den seltensten Fällen hält ein klassisches Taxi, um den Passagier mitzunehmen. Mal ist es ein Dienstwagen mit Regierungsnummer und getönten Scheiben, dessen Chauffeur sich ein kleines Zubrot verdienen will, mal ein rostiger Schiguli auf dem Weg zum Basar oder ein gebrauchter Audi, den der stolze Fahrer von einem Automarkt im Ruhrgebiet nach Zentralasien überführt hatte.

Es kommt auch schon mal vor, dass eine Ambulanz Mitfahrerdienste anbietet. Der Fahrpreis übersteigt nie mehr als 2 Euro für eine Tour, den Ausländeraufschlag schon miteingerechnet. Ein solches Transportsystem ist für Journalisten sehr praktisch, innerhalb eines Arbeitstages sitzt man neben einem Lehrer, einem Kriegsveteran, einem Basarhändler oder einem Beamten und bekommt deren Ansichten gleich mitgeliefert, es sei denn, das Autoradio ist zu laut.

In vielen zentralasiatischen Staaten entwickelte sich dieser Zweitverdienst für die BürgerInnen wegen der katastrophalen Wirtschaftslage zum hauptsächlichen Broterwerb. So hat man in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek den Eindruck, dass jeder Autofahrer zugleich ein Fuhrunternehmer ist.

In der kasachischen Wirtschaftsmetropole Almaty hat sich dies geändert. Die sprudelnden Ölquellen bescheren dem Steppenland ein ansehnliches Wirtschaftswachstum, und für Fahrdienste haben dessen Bürger keine Zeit mehr. Seit einer halben Stunde gleiten die neuesten Geländewagen der internationalen Automobilindustrie am Straßenrand vorbei. Die Fahrer oder Fahrerinnen hinter dem Steuer schauen mitleidig durch die Windschutzscheibe herab, denn anscheinend kann der winkende Mann sich ein solches Gefährt nicht leisten.

Auch die Hoffnung auf einen anhaltenden Kleinwagen erfüllt sich nicht. Auf der anderen Seite ist man zu Fuß sowieso schneller. Die vielen Neuwagen bringen den Verkehr in Almaty tagtäglich zum Erliegen. Um die vielen spannenden Gespräche mit den Mitreisenden ist es allerdings schade. Jetzt muss man wohl dazu in den örtlichen Golfclub. Nur: Wer bringt einen jetzt dahin? MARCUS BENSMANN