DAS STADTGESPRÄCH
: Korruption und Kalkulation

DIE PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL IN GRIECHENLAND WIRD ZUM ABSURDEN SCHAUSPIEL, KOMÖDIE INKLUSIVE

Die griechische Präsidentenwahl verkommt zur Realitysoap: Kungeleien, Bestechungsvorwürfe und skurrile Nebenfiguren sind an der Tagesordnung. Nur echte Comedystars haben bisher gefehlt.

Die gibt’s jetzt auch: In der Hauptrolle agiert Pavlos Haikalis, einer der erfolgreichsten Comedians Griechenlands, der für die rechtspopulistische Partei Unabhängige Griechen im Parlament sitzt. Kurz vor dem zweiten Wahlgang beschuldigte er in vollem Ernst einen bis dahin unbekannten Politberater, ihm 3 Millionen Euro angeboten zu haben, damit er im Parlament für Stavros Dimas stimmt, den Kandidaten der Regierungskoalition.

In einer TV-Livesendung setzte der Satiriker noch eins drauf: Auftraggeber sei angeblich Ministerpräsident Antonis Samaras. Regierungssprecherin Sofia Voultepsi nannte die Vorwürfe „schlechtes Theater“, Samaras drohte mit sofortiger Anzeige, die allerdings wegen einer Streikaktion der Anwaltskammer nicht zustande kam.

Als Haikalis in einer weiteren Sendung die Dramatik herausnehmen wollte, machte er die Sache nur noch schlimmer: Er habe den Vermittler gekannt und ihm 5.000 Euro zu Anlagezwecken anvertraut, erklärte der Parlamentarier und Schauspieler. Nach einem Monat habe ihm diese Investition 200 Euro eingebracht, später sei das Bestechungsangebot gefallen.

Staunen in der Öffentlichkeit: Was ist das für eine Anlage, bei der man für 5.000 Euro nach einem Monat 200 Euro kassiert?

Ein Kommentator legte eine ordentliche Portion Sarkasmus an den Tag: „Ausgerechnet dieser Mann wirft den Deutschen Wucher vor“, schrieb er – eine Anspielung darauf, dass Haikalis’ Partei die Sparpolitik als Diktat Deutschlands verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein, ließ die Bestechungsvorwürfe aber nach wenigen Tagen fallen mit der Begründung, es sei „auszuschließen“, dass Hintermänner eine Rolle gespielt haben könnten. Vielleicht kommt es trotzdem zur Fortsetzung der Realitysoap, da Haikalis bei dem Treffen mit dem umstrittenen Berater eine Uhr mit versteckter Kamera trug und alles aufgezeichnet hat. Zusammengeschnitten wurde das Material bei einem Kollegen von der TV-Branche. Allerdings hat auch sein Gegenüber eine eigene Aufzeichnung und vielleicht eine ganz andere Erzählform zu bieten. Das griechische Publikum wartet gespannt ab.

Das alles hat der seriöse Kandidat Stavros Dimas nicht verdient. Doch bei der Präsidentenwahl geht es mittlerweile nicht mehr um einen Präsidenten, sondern um einen Termin für Neuwahlen. Der Hintergrund: Sollte Samaras auch im dritten Durchgang am kommenden Montag nicht die erforderliche Parlamentsmehrheit für Dimas bekommen, würde das Parlament aufgelöst und neu gewählt. Darauf scheint die Linksopposition zu setzen: „Weder das Parlament noch das Volk gibt Herrn Samaras eine Carte blanche für weitere Sparmaßnahmen“, mahnte Oppositionschef Alexis Tsipras von der linken Syriza.

Eine hauchdünne Chance hat Dimas trotzdem, weil im dritten Wahlgang die erforderliche Mehrheit auf 180 von 300 Abgeordnetenstimmen sinkt. Andererseits: Die Links-rechts-Koalition von Samaras kommt auf nur 155 Stimmen, und selbst wenn alle 24 parteilosen Volksvertreter Dimas unterstützen, fehlt immer noch eine Stimme.

Theoretisch bliebe der Regierungskoalition noch die Möglichkeit, Dimas mit den Stimmen der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte durchzusetzen. Das wäre die tragische Version der Realitysoap um die Präsidentenwahl. Selbst Kandidat Stavros Dimas hat erklärt, er stünde in diesem Fall nicht für das Präsidentenamt zur Verfügung.

Warum wird in der Öffentlichkeit trotzdem über dieses Szenario fleißig weiterspekuliert? Weil immerhin zwei Volksvertreter, die im Juni 2012 für die Goldene Morgenröte ins Parlament zogen und mittlerweile im Streit aus der rechtsradikalen Partei ausgeschieden sind, im zweiten Durchgang für Dimas stimmten. Exaußenministerin Dora Bakogianni fühlte sich veranlasst, eine Warnung auszusprechen: Sie würde selbst nicht mehr für Dimas stimmen, falls ein Neonazi dem Samaras-Kandidaten das Vertrauen schenkt.

JANNIS PAPDIMITROU AUS ATHEN