Schön, gefährdet

UMWELT Landesregierung geht nachlässig mit den Naturschätzen Mecklenburg-Vorpommerns um

BERLIN taz | Seeadler gibt es in Mecklenburg-Vorpommern, schmale Windelschnecken, Biber – und Hühner, in Massen. 70 Millionen Hähnchen produzieren die Mastbetriebe in dem nordöstlichen Bundesland pro Jahr. Wenn alle geplanten Anlagen genehmigt werden, könnten es doppelt so viele werden, befürchtet die Bürgerinitiative Pro Landleben im Nordosten des Landes.

Die rot-schwarze Landesregierung setzt sich für die Tierfabriken ein. In dieser Hinsicht sei Umwelt- und Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) „ziemlich rückwärtsgewandt“, sagt Petra Sauer von Pro Landleben. Zahlreiche Initiativen streiten gegen die Mastanlagen.

Dass in dem Agrarland Umweltpolitik oft vor allem Agrarpolitik bedeutet, zeigt sich unter Backhaus janusgesichtig: Einerseits wird hier auf 9 Prozent der Fläche biologisch gewirtschaftet – mehr als im Rest der Republik. Aber Backhaus fördert nicht nur die Ökos, sondern – neben den Tierfabriken – auch die grüne Gentechnik. Das Agrobiotechnikum in Groß Lüsewitz etwa oder die Uni Rostock sind bundesweit bekannt für ihre Forschung und die damit verbundenen Freisetzungsversuche. Für die Ökobauern seien diese „existenzbedrohend“, sagt Carola Ketelhodt vom Anbauverband Bioland.

Die Agrarpolitik vertrage sich auch nicht mit nachhaltigem Tourismus, sagt Naturschützerin Sauer, die Ferienwohnungen vermietet. „Der Massentourismus, den wir etwa aus Travemünde in Schleswig-Holstein kennen, drückt zu uns“, beklagt sich Arndt Müller, Naturschutzexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Powerbootrennen in der geschützten Wismarbucht, zu viele Bootshäfen, zu enge Bebauung an Küsten und Seeufern: „Das wollen wir stärker reguliert sehen“, sagt Müller.

In Lubmin haben Bürger erfolgreich gegen ein Steinkohlekraftwerk protestiert, in verschiedenen Bürgerinitiativen hatten sie sich organisiert. Die Gesprächsbereitschaft der Landesregierung mit den Initiativen sei da oft rein formal gewesen, sagt Karin Kaspar, selbst SPD-Politikerin, die die Bürgerinitiative mitgegründet hat. „Das Kraftwerk verhindert haben wir, indem wir selbst zum Investor Dong Energy in Dänemark gefahren sind und ihn überzeugt haben“, so Kaspar. Die Landesregierung des strukturschwachen Landes sei in der Regel „auf wirtschaftliche Interessen“ ausgerichtet.

Aber nicht nur. In Sachen Moorschutz erfährt die Landesregierung Lob. „Das ist eines der erfolgreichsten Naturschutzprogramme, die wir hier haben“, so Arndt Müller vom BUND. Großflächig bekamen Niedermoore ihren natürlichen Wasserstand zurück. HEIKE HOLDINGHAUSEN