Der lustige Polizist

Komiker Murat Topal war Polizist. Heute erfreut er ein urdeutsches Mittelklassepublikum in der Ufa-Fabrik mit den gängigen Stereotypen

Da sitzt die brave deutsche Mittelschicht auf weißen Plastikstühlen und ist zur Heiterkeit bereit. Gekommen ist sie, um Murat Topal zu sehen, seines Zeichens Sohn einer Deutschen und eines Türken, aufgewachsen in Neukölln, wo er 1993 das Abitur gemacht hat, um anschließend erst einmal Polizist zu werden. Irgendwas muss man ja tun.

Irgendwann in seinem Dienst, den er in Kreuzberg verrichtet hat, muss ihm aber aufgegangen sein, dass noch etwas anderes in ihm steckt: ein Komiker nämlich, oder wie man auf Neudeutsch sagt, ein Comedian. Kurzerhand ließ er sich freistellen, absolvierte einen Schnellkurs auf einem Seminar in Köln und legte bald die ersten Auftritte hin. Und erstaunlicherweise ging dann alles recht schnell. Nach bereits zahlreichen Kleinkunstbühnen- und TV-Auftritten ist er jetzt hier gelandet, in der Ufa-Fabrik im südlichen Tempelhof, halb draußen unter einem Zeltdach, vor sich Menschen, die das ziemliche Gegenteil der Bevölkerungsstruktur Neuköllns repräsentieren: Spaßbereite Mittelschicht, gerne älteren Semesters, durchweg deutschstämmig.

Comedy ist eine äußerst merkwürdige Parallelwelt, die meist gar nicht komisch ist und trotzdem enorm erfolgreich. Woran natürlich das Fernsehen schuld ist. Auch Topal, der aus seiner Identität und Herkunft wirklich einen Typ zu machen versteht, den Problemkieztürkenbullen nämlich, hat man da schon mal eher unfreiwillig gesehen. Der eine oder andere Sketch war also schon bekannt, wenn man zufällig mal in den Quatsch Comedy Club reingeschaltet hatte. Um es vorwegzunehmen: Ein Kurt Krömer wird Topal nicht mehr werden, für die Berliner Version von David Chapelle reicht es ebenfalls nicht.

Topal hat zwar erkannt, dass es neben der Polizei noch einen anderen Weg aus dem Getto gibt, nämlich den des Spaßmachers. Für die Position des „Representers“, des Repräsentanten seines Umfelds, Kiezes oder Blocks, der aus dem Kiez für den Kiez, aber auch mit allen anderen spricht und scherzt (wie Chapelle es vormacht), sitzt Topal zu sehr zwischen den Stühlen. Als Polizist ist er nämlich nicht nur Beobachter und Vermittler, sondern auch Vertreter des Staats – und steht damit jenseits des Kiezes. Recht und Ordnung, auch wenn es lustig daherkommt, ist was für die Mittelschicht, die allerdings auch das Gros des Publikums für Comedy stellt. Für höhere Ansprüche ist Topals Programm wiederum zu klassisch und wagt zu wenig.

Statt eine subtile Kiez-Analyse hinzulegen, oder eine groteske Übertreibung, ahmt Topal lieber die üblichen, sichere Lacher bringenden Stereotype nach, vom Gemüsetürken über den Berliner-Schnauze-Nachbarn bis zum Klischee-Schwulen. Dazu kommt mal ein Bayer, mal ein Sachse, Dialektverarsche halt. Den Vorgesetzten auf der Wache beherrscht er gut, die Pointen in seinem Ein-Mann-Vortrag sitzen meist alle, bleiben aber flach. Ein weiteres Nachdenken über Hintergründe und Ursachen all dieser Klischees findet nicht statt. Dafür gibt es burleske Einlagen, wenn Topal als Rapper oder Bauchtänzerin sein sonst rein verbales Programm auflockert. Dass Murat Topal ein Bewusstsein für die Probleme hat, für die Neukölln und Kreuzberg stehen, hat er in Interviews bewiesen. In einem Gespräch mit dem Spiegel sprach er davon, dass die Ursachen für die Gewaltbereitschaft der neuen Generation und für die scheiternde Integration in der eigenen Abkapselung und in Sprachschwierigkeiten liegen. Kommunikation wird kaum betrieben, schon gar nicht zwischen Leuten mit unterschiedlicher Herkunft. „Comedy kann ein Mittel der Verständigung sein“, sagt Murat Topal, aber auch, dass „Problemkinder in der Regel nicht ins Theater gehen“. Was auch am Theater liegen könnte. RENÉ HAMANN

Murat Topal: „Getürkte Fälle“, am 11. 8. in der Ufa-Fabrik, Tempelhof, 20.30 Uhr