Kein Kamerad am sinkenden Sarg

In der niedersächsischen Gemeinde Berge streiten Schützenverein und katholische Kirche über den richtigen Moment für das Trompetensolo „Ich hatt’ einen Kameraden“. Nun hat das Bistum verboten, das Stück beim Senken des Sarges zu spielen

Es geht um Traditionen in diesem Streit, und man kann sagen, dass sich die richtigen dafür gefunden haben: Schützenverein und katholische Kirche. Streitpunkt ist das Trompetenstück „Ich hatt’ einen Kameraden“. Aber es geht diesmal nicht, wie sonst üblich, um die Frage, ob der von Ludwig Uhland gedichtete Text – „Will mir die Hand noch reichen,/ derweil ich eben lad“ – kriegsverherrlichend ist oder nicht. Sondern um die Frage, wann das Stück zu spielen sei: ob während des Herablassens des Sarges – so will es der Schützenverein Berge – oder aber bei der Kranzniederlegung. Das klingt erst einmal viel zu nebensächlich, um es glauben zu können, aber natürlich geht es nicht um die Frage von zehn Minuten früher oder später. Sondern darum, wer im letzten Moment das letzte Wort hat: die Kirche oder die Schützen.

60 Jahre lang haben in Berge, einem 3.000-Seelen-Ort im Kreis Osnabrück, die Schützen die Deutungshoheit gehabt. Andreas Markus, ihr Vereinsvorsitzender, gibt offen zu, dass er selbst nicht wisse, warum das Stück ausgerechnet bei der Sargniedersenkung gespielt werden müsse. „Wir haben noch 80-jährige Schützen“, sagt er, „aber die wissen es auch nicht mehr.“ Aber das Warum spielt für ihn auch keine große Rolle. „Der Verein hat die Aufgabe, das Schützenbrauchtum zu erhalten.“

Was er nicht versteht und auch nicht verstehen will ist, warum die katholische Kirche behauptet, bei dem Musikstück gehe es um eine Ehrerweisung für den Toten als Schützen. „Wir spielen es für alle“, also nicht nur für die trauernden Schützen, sondern auch für die anderen Trauergäste. Und wenn ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr von Berge sterbe, dann beauftrage und bezahle eben die Feuerwehr den Trompeter. Und derjenige, der gegenwärtig spiele, betont Andreas Markus, „ist nicht einmal Mitglied bei uns“.

60 Jahre war in Berge der „Kamerad“ am herabgelassenen Sarg zu hören, doch als ein neuer katholischer Pfarrer die Gemeinde übernahm, nahm er im Sommer dieses Jahres Anstoß daran. Nicht, weil er dem Schützenwesen ablehnend gegenüber steht. Auch am Lied, das üblicherweise bei militärischen Trauerfeiern oder am Volkstrauertag gespielt wird, hatte Hubert Schütte nichts auszusetzen. Er fand vielmehr, dass der Moment, in dem der Sarg niedergelassen wird, ein stiller sein sollte. Ein Moment für Gebete und dafür, den Glauben an die Auferstehung zu verkünden.

Die Schützenbrüder sahen das nicht so. Sie beklagten vielmehr, dass hier völlig überflüssigerweise an der Tradition gerüttelt werde und sammelten Unterschriften der Gemeindehonoratioren. Unterschrieben haben der Sportverein, zwei Schützenvereine, der Heimatverein, der Kolpingverein sowie der evangelische Pfarrer und sein Kirchenvorstand. Bei den evangelischen Begräbnissen darf „Ich hatt’ einen Kameraden“ nämlich bei der Sargniederlassung gespielt werden, sagen die evangelischen Geistlichen. Es gebe da in der Begräbnisordnung eine gewisse Flexibilität.

Andreas Markus, der Schützenvorsitzende, liest diese Flexibilität auch aus der katholischen Begräbnisverordnung. Zumindest habe er keine Bestimmung finden können, die die Musik zur Sargniederlassung ausschließe. Vielleicht hat er sie auch nicht finden wollen. Auf jeden Fall sagt er, dass die Haltung der katholischen Kirche „eindeutig ein Schlag ins Gesicht“ der evangelischen Brüder und Schwestern sei.

Der katholische Pfarrer Schütte wiederum nennt die Unterschriftensammlung des Schützenvereins wenig hilfreich. Dieser wandte sich schließlich ans Bistum Osnabrück. Dessen Generalvikar Theo Paul schrieb den Schützen einen Brief. Darin steht unmissverständlich, dass „in Zukunft bei katholischen Bestattungen in Berge während des Einsenkens des Sarges das Trompetensolo ‚Ich hatte einen Kameraden‘ nicht mehr gespielt werden darf“. Am Ende des Briefes wünscht sich der Generalvikar, dass „die erbetene Klärung dazu beiträgt, in Berge zu einem guten Miteinander zurückzufinden“.

Was der Katholik Markus dazu sagt, klingt ein wenig anders. Man werde die Entscheidung akzeptieren. Über die Umsetzung soll die nächste Mitgliederversammlung entscheiden. Wird der Trompeter künftig bei der Kranzniederlegung spielen? „Nur über meine Leiche“, sagt Markus. Aber das sei natürlich nur seine persönliche Meinung. GRÄ