„Meine Nächte sind grellweiß“

DEPRESSION Viele Frauen geraten nach der Geburt in die Krise und bleiben damit aus Scham allein

Die Symptome reichen von zwiespältigen Gefühlen dem Kind gegenüber bis zu Suizidgedanken

„Mein Baby ist jetzt zwei Monate alt. Meine Nächte sind grellweiß. 3 Uhr. Mir wird schlecht, hänge würgend über der Kloschüssel. Fühle mich unendlich schwach bei dem Gedanken, bald wieder das Kind stillen zu müssen.“ Die Schauspielerin Ulrike Schrimpf hat ihre Depression nach der Geburt ihres zweiten Sohnes in dem Buch „Wie kann ich dich halten, wenn ich selbst zerbreche?“ beschrieben. Ihre Erfahrungen sind kein seltener Einzelfall.

„Zehn Prozent unserer Mitglieder, die 2012 in Niedersachsen ein Kind bekamen, hatten nach der Geburt mit Depressionen oder Psychosen zu tun“, sagt Elisabeth Siegmund-Schultze von der Kaufmännischen Krankenkasse. Und die Dunkelziffer ist hoch. „Unser Flyer zum Thema bleibt in den Wartezimmern der Frauenärzte meist liegen. Einige Gynäkologen haben ihn auf der Toilette ausgelegt, dort ist er schnell vergriffen“, sagt Christiane Knoop vom Hebammenverband Niedersachsen.

Katharina Schmidt, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, betreut in der Karl-Jaspers-Klinik im niedersächsischen Bad Zwischenahn in die Krise geratene Mütter. Sie hat es vor allem mit ganz jungen und Frauen ab Mitte 30 zu tun. Nur Mutter zu sein, falle sehr jungen Frauen oft schwer. „Ältere mit einer guten Ausbildung sind es gewohnt, alles alleine zu regeln und haben Probleme, Hilfe anzunehmen. Läuft die Geburt anders ab als gedacht, empfinden sie das als Kontrollverlust“, sagt Schmidt. Auch der Drang zur Perfektion könne sich negativ auswirken: „Wenn die Hebamme immer wieder betont, dass das Stillen doch so wichtig ist, kann das eine Frau unter Druck setzen“, sagt sie.

Vom Baby-Blues in den ersten fünf Tagen nach Entbindung sind bis zu 50 Prozent der Frauen betroffen, bedingt durch das Absacken des Hormonspiegels. Eine Behandlung ist laut Schmidt nicht nötig. Im Gegensatz zur postpartalen Depression bzw. Angst- und Zwangsstörung. Bis zu 15 Prozent aller Mütter leiden darunter und die Symptome reichen von zwiespältigen Gefühlen dem Kind gegenüber, Panikattacken bis zu Suizidgedanken.

In der Bad Zwischenahner Klinik gibt es vier Plätze für Mütter mit Kindern, die dort im Schnitt sieben Wochen behandelt werden. In jedem Quartal werden bis zu 40 Frauen ambulant betreut. „Aus Verden kann ich Frauen nicht nach Bad Zwischenahn oder Hannover schicken, das ist zu weit weg“, sagt Inge Dotschkis-Hillejan, Sozialarbeiterin bei der Frauenberatung Verden. Das Angebot müsse in der Fläche ausgebaut werden.  JOACHIM GÖRES

Auf www.schatten-und-licht.de gibt es einen Test zur Selbsteinschätzung und Kliniken für die Behandlung postpartaler Depressionen