STEFFEN GRIMBERG DER WOCHENENDKRIMI
: Die Tochter lässt lynchen

Der tote Vogel auf der Straße zeigt schon an: Hier wird’s gleich ungemütlich. Denn der Highway mitten im amerikanischen Nichts, auf dem die entzückende Patchworkfamilie unterwegs ist, ist so was von lost. Schnell wird klar: Der Film von Jennifer Lynch ist in Sachen intellektuellem Splatter dem Vorbild ihres Herrn Papa (David L.) durchaus gewachsen.

Der Filmanfang ist denn auch düster, die Kamera wackelt gewaltig, dann findet sich die Handlung plötzlich im gleißenden Neonlicht einer Polizeistation in der Provinz wieder, wo zwei zugereiste FBI-Agenten (Julia Ormond und Bill Pullman in perfekt unglamourösen schwarzen Anzügen) den Fall aufarbeiten sollen. Die ortsansässigen Cops, von denen einer zum Zeugen und der andere von den Killern aus dem Leben befördert wurde, begegnen ihren Bundespolizeikollegen mit freundlich-offener Feindschaft. Daneben hocken ein verstörtes kleines Mädchen mit blonden Zöpfen – die einzige Überlebende der Patchworkfamilie auf Reisen – und eine etwas zu attraktive Kokserin, deren zuhälterhafter Freund auch dran glauben musste.

Das FBI stellt Fragen, in Rückblenden erzählen die Zeugen ihre jeweils unstimmigen Geschichten. Und weil die Ermittler schon gleich zu Anfang bedeutungsschwanger „Sie heißen Zeugen, weil sie etwas gesehen haben“ geraunt haben, ist klar: Hier stimmt rein gar nichts, nicht mal der deutsche Filmtitel, der im Original „Surveillance“ heißt und mit „Überwachung“ besser übersetzt wäre.

Jennifer Lynchs packend-sadistischer „Kammerspiel meets Roadmovie“-Verschnitt hat zwar nicht ganz die psychologische Verstörungskraft von „Lost Highway“ und anderen Filmen ihres Vaters, am Ende sind aber auch hier (fast) alle tot. Bis auf das blondbezopfte kleine Mädchen natürlich – so viel American Dream muss dann selbst bei einer waschechten Lynch noch drin sein.

„Unter Kontrolle“, Sonntag, 23.15 Uhr, ProSieben