Kenias machtbewusste „Drama-Queen“

Immer für einen skandalösen Auftritt gut: Kenias Gesundheitsministerin Charity Ngilu. Noch ist unklar, ob die dreifache Mutter gegen Präsident Mwai Kibaki antreten wird. FOTO: AP

Charity Ngilu hat 24 Stunden Haft hinter sich, aber sie teilt schon wieder kräftig aus. „Sicherheitsminister Michuki wollte mir wohl zeigen, dass er Macht über mich hat“, kommentiert Kenias Gesundheitsministerin ihre Festnahme. Da lag eine ereignisreiche Woche hinter der 55-Jährigen: Am Dienstag hatte Ngilu eine inhaftierte Oppositionelle befreit, die gegen die Selbstbedienungsmentalität in Kenias Parlament demonstriert hatte. Im silberfarbenen Dienst-Mercedes brauste Ngilu mit ihr davon.

Als sie deshalb einen Tag später selbst ins Polizeihauptquartier zitiert wurde, geriet der Auftritt so schrill, dass Kenias größte Tageszeitung Daily Nation Ngilu zu Kenias „Drama-Queen“ kürte. Nachdem Unterstützer stundenlang das Gebäude blockiert hatten, ließ der Polizeipräsident Ngilu, die sich in ihrem Dienstwagen eingeschlossen hatte, ziehen.

Solche Auftritte sind das Markenzeichen Ngilus, die seit fünfzehn Jahren in Kenias Politik mitmischt. 1997 trat sie gegen den autoritär regierenden Präsidenten Daniel arap Moi an und ließ sich vor laufenden Kameras mit Tränengas einnebeln. Moi hatte zuvor eine von Ngilus Wahlkampfveranstaltungen blockieren lassen. Bei den Wahlen 1997 wurde Ngilu dennoch nur Fünfte. Zehn Jahre später stehen wieder Wahlen an, und Charity Ngilu bringt sich in Stellung.

Ob sie im Dezember gegen Präsident Mwai Kibaki antreten wird, der vor fünf Jahren mit ihrer Hilfe an die Macht kam, ist noch offen. Vielleicht wird Ngilu aber auch Kibakis Erzfeind Raila Odinga unterstützen. Ngilu nimmt sich Zeit, denn sie hat das wichtigste Ass im Ärmel: Auf dem Papier ist sie Chefin der Präsidentenpartei „Nationale Regenbogen-Koalition“ und könnte in dieser Eigenschaft in der Nachfolge Kibakis als Spitzenkandidatin für diese Partei antreten. Dies lässt den einflussreichen alten Männern in Kibakis Regierung seit Wochen keine Ruhe mehr.

Mit den „großen Alten“ legt Ngilu sich ohnehin am liebsten an. Im Parlament bekam ein Abgeordneter vor einem Jahr Beifall für die Behauptung, Frauen würden immer Sex wollen, auch wenn sie „nein“ sagen. Ngilu führte erst die 12 Parlamentarierinnen als Zeichen des Protestes aus dem Saal, kurze Zeit später forderte sie die Kastration für Vergewaltiger. „In der Bibel steht: Wenn ein Teil des Körpers sündigt, soll er entfernt werden.“

Unbeliebt im Kabinett ist Ngilu nicht nur wegen solcher Sprüche, sondern auch wegen ihres Kampfes gegen Korruption. Dass Sicherheitsminister Michuki sie deshalb mit der Haft bestrafen wollte, ist wahrscheinlich. Doch auch diesmal hat die machtbewusste Ministerin die Lage zu ihrem Vorteil gewendet. MARC ENGELHARDT