Nach Straßenblockade droht Studenten Knast

Junge Leute protestierten auf der Stadtautobahn gegen Studiengebühren. Marburger Richter erwägt Haftstrafen

Ein Anwalt: „Es wäre ein absolutes Unding, wenn es zu Freiheitsstrafen kommt“

MARBURG taz ■ Eine kleine Aktennotiz des Richters ist es, die die Aufregung zusätzlich anheizt: Demnach könnten vier Studierende wegen ihrer Teilnahme an einer Autobahnblockade kurzzeitig eingesperrt werden – „zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung“. Aus Protest gegen die Einführung von Studiengebühren hatten die Angeklagten am 11. Mai 2006 nach einer Demonstration gemeinsam mit 500 Studierenden für rund dreißig Minuten die Stadtautobahn im mittelhessischen Marburg blockiert.

Der Aktennotiz des urteilenden Richters Jürgen-Peter Taszis nach sei „das willkürliche Sperren der Kraftfahrstraße unter unseren Studenten in Mode gekommen“, der Tatbestand der Freiheitsberaubung müsse geprüft werden. Rechtsanwalt Gunther Specht vertritt einen der vier Angeklagten vor Gericht. Für den Juristen wäre es „ein absolutes Unding, wenn es in diesem Prozess zu Freiheitsstrafen kommen würde“.

Sämtliche Angeklagten sind der Polizei wegen ihrer politischen Aktivitäten bekannt. Eine von ihnen ist die ehemalige Asta-Vorsitzende Lena Behrendes. Die damals 23-Jährige befand sich an der Spitze der Demonstration. Nachdem für sie erkennbar war, dass die Demonstrierenden die Autobahn blockieren würden, handelte sie. „Ich habe damals die Polizei angerufen und sie gebeten, möglichst schnell den Verkehr auf der Stadtautobahn zu stoppen“, sagt Behrendes.

Neben dem ermittelnden Richter steht auch das Marburger Amtsgericht selbst in der Kritik. So ist der Student Philipp Ramezani zwar ebenfalls angeklagt, einen offiziellen Strafbefehl für das Gerichtsverfahren hat er jedoch nie erhalten, sagt er. Von den Ermittlungen gegen ihn erfuhr er erst aus den Akten der anderen Angeklagten. Für den Lehramtsstudenten steht fest: „Das Gericht hat es verschlampt, mir einen Strafbefehl zuzustellen.“

Binnen kurzer Zeit ist ein breites Bündnis zur Unterstützung der Angeklagten entstanden. Mehr als 1.000 Menschen, darunter Professoren, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, haben auf einer Unterschriftenliste die Staatsanwaltschaft aufgefordert, das Verfahren einzustellen. Ulrich Wagner ist Professor für Sozialpsychologie. Für ihn steht fest, dass „die Angeklagten während der Blockaden nicht als Scharfmacher aufgetreten sind, sondern sogar mit der Polizei verhandelt haben“. Auch der Uni-Kanzler Friedhelm Nonne kritisierte, dass die Studierenden „aus der Masse von 500 Blockierern willkürlich herausgegriffen“ worden seien.

Wie viel die Unterstützung wert ist, wird sich am Montag zeigen. Laut Andrea Hülshorst, Pressesprecherin des Amtsgerichtes, sind tatsächlich „kurze Freiheitsstrafen“ von bis zu drei Monaten möglich, Diese jedoch würden dann wohl zur Bewährung ausgesetzt werden können.

TIEMO RINK