„Ein abenteuerlicher Gedanke“

ZWISCHENRUF Wirtschaftlichkeit und Müll-Entsorgung unklar: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnt die EU-Kommission vor einer Förderung der Atomenergie

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat den neuen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker davor gewarnt, das geplante Wachstumspaket zur Förderung der Atomkraft einzusetzen. Das Milliardenpaket dürfe nicht zweckentfremdet werden, sagte Weil gestern der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Es ist so, dass eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten offenbar ernsthaft vorhat, sich den Neubau von Atomkraftwerken von der EU finanzieren zu lassen.“ Dabei gehe es in erster Linie um Großbritannien, aber auch um Polen und Ungarn. Er rief die Bundesregierung auf, in Brüssel zu intervenieren.

Junckers jetzt vorgestellter Milliardenplan gilt als Prestigevorhaben, bisher gibt es aber nur eine unverbindliche Sammlung von Projekten. Was davon tatsächlich gefördert wird, soll bis Mitte kommenden Jahres feststehen. Das Land Niedersachsen sieht sich selbst als Vorreiter der Energiewende und beansprucht vor allem bei Windenergie Technologieführerschaft. Mit fast 8.000 Megawatt installierter Windenergie stellte die Fläche zwischen Harz und Küste im vergangenen Jahr 23 Prozent der deutschlandweiten Leistung.

„Ich halte es für einen abenteuerlichen Gedanken, dass die EU auch aus deutschen Steuermitteln den anderen Ländern Atomkraftwerke finanzieren könnte“, sagte Weil. Die Fragen der Sicherheit und der Entsorgung seien dort ebenso wenig befriedigend gelöst wie in Deutschland, und die Wirtschaftlichkeit dieser Form der Energiegewinnung sei „mit einem großen, großen Fragezeichen“ versehen, so Weil: „Daraus leite ich die klare Forderung an die Bundesregierung ab, sich in Brüssel zu engagieren, um zu verhindern, dass mit dem europäischen Investitionsprogramm die Atomenergie in Europa ausgebaut wird.“

„Frisches Geld macht nur den geringsten Teil dieses scheinbar großen Pakets aus“, sagte Weil zu dem nun präsentierten EU-Investitionsprogramm. Der Großteil sei Kreditfinanzierung. Unterstützen werde man aber etwa nachhaltige Investitionen in die südeuropäische Infrastruktur oder den Ausbau eines schnellen Internets.  (dpa)

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