Für die Extraportion Fett

UNGESUND Werbung führt Eltern in die Irre. Eine Studie der Bremer Verbraucherzentrale enttarnt die Strategien der Kinderlebensmittelindustrie

Im Fernsehen strahlt Mutti mit dem Nachwuchs um die Wette. Um das Kind glücklich zu machen, gibt sie ihm „Lachgummi“ des Süßwarenunternehmens Storck. Da stecken schließlich „Fruchsaft und Vitamine“ drin. Solche Werbung sei „Augenwischerei“ findet die Verbraucherzentrale Bremen. Die Organisation hat in einer Studie 39 Kinderlebensmittel untersucht und Erschreckendes festgestellt: Die meisten Produkte sind zu süß oder zu salzig. Ein hoher Fettgehalt ist die Norm.

„Lachgummi“ beispielsweise wirkt durch die Aufmachung „gesund“. Dabei besteht das Produkt zu 51 Prozent aus Zucker und ist somit alles andere als gut für Kinder. Der Begriff „Kinderlebensmittelindustrie“ zeigt auf, dass sich Vermarktung gezielt an die Kleinsten richtet- und deren Eltern, die schließlich kaufen.Um die 400 dieser Produkte sind in Deutschland auf dem Markt. „Die Kinderlebensmittelindustrie ist ein boomender Markt“, sagt Irmgard Czarnecki, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Bremen. „Die Werbestrategien sind aufwendig.“ Eltern könnten oft nur schwer erkennen, was im Produkt enthalten sei. Das Land Bremen finanziert die Studie. „Die Verantwortung der Lebensmittelindustrie gegenüber den Kindern wird mit Füßen getreten“, sagt Matthias Gruhl, Abteilungsleiter der Gesundheitsbehörde. „Als Mediziner weiß ich, dass die großen Anteile an Fett und Zucker in diesen Lebensmitteln zur Krankheitsförderung beitragen.“ Diabetes, Fettleibigkeit und Herz-Kreislauferkrankungen können die Folge sein.

Nicht nur Süßigkeiten sind in der Studie erfasst worden, sondern auch Milchprodukte, Fertiggerichte und Frühstücksflocken. Letztere sind zum Beispiel „Cini Minis“ des Lebensmittelmarktführers Nestlé. Auf grünem Hintergrund wird die Botschaft „31 Prozent Vollkorn“ angepriesen, dabei enthalten die „Cerealien“ mehr Zucker als Getreide.

Genau so geht Kellogg‘s vor. Es verwundert nicht, wenn die Luft süßlich riecht, wenn man vor dem Unternehmen am Bremer Hafen steht. Die rund 35 Frühstücksprodukte sind voll mit Zucker. Trotzdem werden sie mit einem hohen Nährstoffgehalt beworben und haben Kinder als Zielgruppe.

Neben den üblichen Verdächtigen lockt auch die Bio- Industrie mit falschen Versprechen. Das niedersächsische Öko- Unternehmen Allos preist seine „Amaranth Honig Poppies“ damit an, das Produkt sei „nur mit Honig und Agavendicksaft gesüßt“. Dabei werden diese Zutaten scheinbar so ausschöpfend verwendet, dass das Produkt an die 40 Prozent Zucker birgt. Auf Anfrage der taz, sagt eine Sprecherin des Unternehmens: „Wir weisen ja extra darauf hin, dass das Produkt gesüßt ist.“ Letztendlich müsse der Verbraucher entscheiden, ob er kauft oder nicht.

Zum selben Schluss kommt auch der Bremer Konzernriese Kraft Foods. Sein kakaohaltige Getränkepulver „Kaba“ ist bei Kindern beliebt. Der Zuckergehalt von über 77 Prozent, stört Kraft nicht: „ Jeder weiß, dass in ‚Kaba‘ Zucker enthalten ist, daran ändert auch unser Hinweis auf Vitamine nichts“, sagt Heike Hauerken, Sprecherin des Unternehmens. „Aber ein Glas zum Frühstück lässt sich wohl einbauen.“

Die Entscheidung für oder gegen ein Produkt fällt dem Verbraucher durch verwirrende Kennzeichnung schwer, befindet die Verbraucherzentrale Bremen.

Bereits 2008 hat die Organisation Foodwatch Kinderlebensmittel untersucht und war zu ähnlichen Resultaten gekommen. „Aber um politsiche Forderungen stellen zu können, mussten wir die Ergebnisse selbst nachvollziehen“, sagt Gruhl vom Gesundheitsressort. Wie Foodwatch, fordert auch die Verbraucherzentrale Bremen eine „Ampelkennzeichnung“ für Lebensmittel.

Die Mengenangaben von Zucker, Fett und Salz sollen, je nach Menge, mit grün, gelb oder rot gekennzeichnet werden. Sowohl an der Bundesregierung als auch an der Europäischen Parlament scheiterte zuletzt die Idee. Auf Freiwilligkeit der Lebensmittelindustrie zu setzen sei jedenfalls der falsche Weg, sagt Gruhl. Mit der Bremerhavener Tiefkühlkostfirma Frosta, hat nur ein einziges Unternehmen die Ampelkennzeichnung aus freien Stücken übernommen.