Geiselnahme in Café beendet

AUSTRALIEN I Bewaffneter Exflüchtling aus Iran nimmt in einem Café im Zentrum Sydneys mehrere Geiseln. Zwei zwingt er, das muslimische Glaubensbekenntnis zu zeigen

VON SVEN HANSEN

BERLIN taz | Am frühen Dienstagmorgen haben schwer bewaffnete Polizisten das Café Lindt im Zentrum Sydneys gestürmt, in dem ein Bewaffneter iranischer Abstammung seit dem Vormittag etwa zwanzig Geiseln genommen hatte. Dabei sollen Medienberichten zufolge der Geiselnehmer und eine weitere Person getötet worden sein. Bei dem Täter soll es sich um den 50-jährigen Man Haron M. handeln, einen selbst ernannten muslimischen Geistlichen, der 1996 als politischer Flüchtling nach Australien gekommen war.

M. sorgte jetzt auch dadurch für Aufsehen, weil er Geiseln zwang, das muslimische Glaubensbekenntnis im Fenster des Cafés zu zeigen. Auch die Wahl des Ortes ließ aufhorchen: In direkter Nähe des Cafés am Martins Place sind Bankzentralen, das lokale Parlament und das US-Konsulat. Gegenüber ist ein gläsernes TV-Studio.

Da der Geiselnehmer ein Stirnband mit arabischer Schrift trug, war ein islamistischer Terrorakt befürchtet worden. Australiens Sicherheitsbehörden hatten im September die Warnstufe vor Anschlägen erhöht.

Unmittelbar vor Erstürmung des Cafés konnten fünf bis sechs Geiseln fliehen. Mindestens zwei Personen wurden später auf Bahren herausgetragen. Bereits am Tage waren fünf Personen unter noch unklaren Umständen freigekommen.

M. war in Sydney polizeibekannt. Er hatte sich in Australien vom liberalen schiitischen Ajotollah zum radikalen Sunniten gewandelt. Er erregte dadurch Aufsehen, dass er Briefe an die Angehörigen australischer Soldaten schrieb, die in Afghanistan getötet worden waren. Darin beleidigte er die Toten und forderte Angehörige auf, sich gegen den Krieg zu engagieren. 2013 wurde er wegen seiner Briefe zu 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, berichtet der Sydney Morning Herald.

Zwischenzeitlich betätigte er sich als selbst ernannter Geistlicher und spiritueller Heiler, wobei ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde. Auch war er in einem Mordprozess verwickelt, weil seine Exfrau mit seiner Hilfe getötet worden sein soll. Von Australiens Justiz fühlte sich M. ungerecht behandelt.

Im Laufe des Tages hatte die Polizei Verhandlungen mit ihm aufgenommen. Über seine Forderungen herrschte Stillschweigen. In Medienberichten war von der Fernsehausstrahlung eines Videos wie von einem Gespräch mit Premier Tony Abbott die Rede gewesen.

Islamische Verbände hatten sich sofort von der Geiselnahme distanziert. Moscheen hatten für die Geiseln gebetet. Der Fall dürfte die Stimmung in Australien gegenüber Flüchtlingen und Muslimen noch verschlechtern.