„Eine komische Form von Patriotismus“

Die grenzüberschreitenden Kontrollen von Biobauern dauern zu lange, sagt Thomas Dosch

THOMAS DOSCH, 46, ist Vorsitzender des Bioland-Verbandes, dem über 4.500 Öko-Bauern angehören.

taz: Herr Dosch, muss ich auch als Käufer von Biolebensmitteln damit rechnen, dass sie nicht ganz sauber sind?

Thomas Dosch: Sie können davon ausgehen, dass die Ware in Ordnung ist. Nur in wenigen Fällen finden sich in Ökoprodukten Spuren von Pflanzenschutzmitteln, die meistens vom Einsatz auf konventionellen Nachbarfeldern stammen. Ich meine, die Negativrate liegt bei deutschen Produkten unter einem Prozent.

Nun sagt aber eine neue Studie, dass verhältnismäßig viel italienisches Obst und Gemüse zu Unrecht das Öko-Siegel tragen.

Verschiedene Untersuchungen zeigen unterschiedliche Ergebnisse. Im Schnitt werden 2 bis 5 Prozent des importierten Öko-Obstes und -Gemüses aus Italien und Spanien beanstandet. Das ist viel, aber im Durchschnitt 40-mal weniger als bei konventionell erzeugter Ware. Wir haben in Europa ein strenges Kontrollsystem speziell für Bioprodukte. Die Kontrollen werden von qualifizierten Kontrollstellen durchgeführt. Staatliche Kontrollbehörden, die bei Landwirtschafts- oder Sozialministerien angesiedelt sind, kontrollieren wiederum diese Kontrollen.

Und den Kontrollen ist zu trauen?

Nicht in jedem Land funktioniert das Kontrollsystem so gut wie in Deutschland. In diesem Fall ist die deutsche Bürokratie so schlecht auch nicht. Ich kritisiere vor allem, dass es bei einem Verdachtsfall, der beispielsweise von Deutschland nach Italien gemeldet wird, Monate dauern kann, bis aus dem Nachbarland eine Antwort kommt. Da entsteht oft eine ganz komische Form von Patriotismus. Statt länderübergreifend zusammenzuarbeiten, wird erst einmal im eigenen Land zusammengehalten.

Sollen Verbraucherinnen und Verbraucher also am besten in Zukunft die Finger von ausländischem Biogemüse lassen?

Gutes Inland, schlechtes Ausland – so einfach ist das nicht. Italien ist ein großes Land. Ich wehre mich gegen das Vorurteil, im Süden säßen nur Betrüger. Ich kenne zum Beispiel viele Biobauern in der Toskana, die sich voll und ganz dem Ökoanbau widmen und sich dafür von ihren konventionellen Kollegen für verrückt erklären lassen.

INTERVIEW: CHRISTINE ZEINER