Idealist und Geschäftemacher

Christian Prudhomme, 47, war einst Moderator der Tour-Übertragungen im Fernsehen. Seit zwei Jahren ist er Direktor der Tour. Für ihn ist die Rundfahrt Kulturgut und Geschäft in einem. FOTO: REUTERS

Für Christian Prudhomme ist seine Stelle als Direktor der Tour de France mehr als nur ein Job. Sie ist, wie er gern betont, eine Leidenschaft. Der 46 Jahre alte Pariser sieht sich nicht als Manager eines profitablen Radrennens, sondern als Hüter eines nationalen Kulturgutes. Deshalb schwärmt er auch gern von der Romantik des Rennens. Über die wirtschaftlichen Aspekte des Unternehmens Tour redet er hingegen weniger gern. „Die Tour ist ein Traum, sie ist keine Ware“, bellte er jüngst einen Journalisten an, der über Geld statt über Romantik reden wollte.

Die Tour ist sicher eine nationale Herzensangelegenheit in Frankreich. Aber sie ist genau deshalb auch ausgesprochen profitabel. Auf 130 Millionen Euro im Jahr wird ihr Umsatz geschätzt. Man kann nicht umhin, Monsieur Prudhomme zumindest ein gewisses Maß an pekuniärer Motivation zu unterstellen, wenn er, wie in dieser Woche mehrfach, martialisch dem Doping den Krieg erklärt. Doping mag unmoralisch sein, vor allem ist es aber auch schlecht fürs Geschäft.

Prudhomme ist nicht nur Idealist. Das lässt sich schon allein daran ablesen, dass er den stark dopingverdächtigen Michael Rasmussen eine Woche lang im Gelben Trikot durch Frankreich radeln ließ. Es war der Sponsor von Rasmussens Team, der den Dänen aus dem Verkehr zog. Rasmussen fügte der Tour de France zwar großen Imageschaden zu, Prudhomme fürchtete diesen jedoch weniger als die möglichen Kosten einer Schadenersatzklage, die Rasmussen im Fall des Ausschlusses angestrengt hätte.

Überhaupt scheint es so, als sei dem vermeintlichen Kämpfer für die höheren Werte im Sport im Zweifelsfall das Fressen wichtiger als die Moral. Niemand in der Radsportwelt würde bestreiten, dass es im Kampf gegen Doping der gemeinsamen Anstrengung aller Institutionen bedarf. Prudhomme aber pflegt inbrünstig seine Fehde mit dem Radsportweltverband UCI. Größter Streitpunkt sind die Vermarktungsrechte der Tour und anderer Rennen, die der Tour-Organisation gehören.

Prudhomme und Patrice Clerc, Chef der Tour-Holding ASO, haben beschlossen, ihre Macht als wichtigstes Rennen der Welt auszuspielen und sich der Hoheit der UCI zu entziehen. Prudhomme glaubt nun, die UCI habe gezielt die Tour torpediert, indem sie den Fall Rasmussen zuerst verschwiegen und dann verschleppt habe. Prudhomme und sein Gegenüber bei der UCI, Patrick McQuaid, spielen die gleiche Art von Spiel. Außenstehende finden indes, dass die Herren durch ihre Sturheit den Kampf gegen das Doping lahmlegen und somit die ganze Sportart gefährden. SEBASTIAN MOLL