Rücktritt nach Flugzeugkatastrophe

Brasiliens Verteidigungsminister tritt nach dem Flugzeugunglück in São Paulo zurück

BUENOS AIRES taz ■ „Wenn ich fliege, überantworte ich mein Leben immer Gott“, gab Luiz Inácio Lula da Silva am Mittwoch seinem neuen Verteidigungsminister vertrauensvoll mit auf den Weg. Zuvor hatte Brasiliens Präsident den Rücktritt des alten Verteidigungsminister angenommen. In einem Kommuniqué hatte das Präsidialamt mitgeteilt, man habe Waldir Pires’ Rücktrittsgesuch entsprochen.

Pires war von Lula im März 2006 in das Amt berufen worden. Im September 2006 war eine Boeing 737 nach einem Zusammenstoß mit einem Privatflugzeug über dem Amazonasgebiet abgestürzt, 154 Menschen waren ums Leben gekommen. Mittwoch vergangener Woche war ein Airbus A 320 der brasilianischen Fluggesellschaft TAM auf dem Flughafen Congonhas von São Paulo beim Landen über die Piste hinausgerast. An die 200 Menschen wurden mit in den Tod gerissen.

Der Ministeraustausch war nach der Flugzeugkatastrophe vom letzten Mittwoch absehbar. Die Flugsicherung der zivilen Luftfahrt fällt in Brasilien in den Zuständigkeitsbereich der Luftwaffe und damit in den des Verteidigungsministerium. Pires hatte sich als unfähig erwiesen, das seit Monaten herrschende Chaos im brasilianischen Luftraum und am Boden in den Griff zu bekommen und die zuständigen Behörden neu zu ordnen.

Lula selbst hatte vergangenen Freitag in einer groß angekündigten Fernsehrede noch zu Besonnenheit aufgerufen und den Bau eines neuen Flughafens in São Paulo angekündigt. Dem Verteidigungsministerium allerdings hatte Lula bereits zu diesem Zeitpunkt die Verantwortung für die Flugüberwachung entzogen. Der 80-jährige Pires hatte schon zuvor nicht mehr am Krisenstab teilgenommen, den Lula noch in der Unglücksnacht eingerichtet hatte.

Neuer Minister im Amt ist Nelson Jobim. Jobim hat bereits Erfahrung: Unter Lulas Amtsvorgänger Fernando Henrique Cardoso war er von 1995 bis 1997 Justizminister. 2004 wechselte Jobim zum Obersten Bundesgericht, bei dem er bis 2006 als Vorsitzender Richter tätig war. Der 61-Jährige gehört der Partido del Movimiento Democrático Brasileño (PMDB) an, dem derzeit einflussreichsten Partner in Lulas Regierungskoalition.

Mit Jobim hat das Verteidigungsministerium die Zuständigkeit für die Flugsicherung wieder übernommen. Der neue Minister hat mitgeteilt, der Präsident habe ihm freie Hand für die Neuordnung der Behörden gegeben. Der Leiter der Nationalen Zivilflugbehörde Anac, Milton Zuanazzi, hat bereits seinen Rücktritt angeboten. Der Präsident der Nationalen Flughafenbehörde Infraero, José Carlos Pereira, steht ebenfalls zur Disposition.

Nach den Ursachen für die Katastrophe auf dem Flughafen Congonhas von São Paulo wird noch geforscht. Zunächst wurden fehlende Drainagerillen, die für den Ablauf des Regenwassers hätten sorgen sollen, für das Hinausschleudern des Airbus über die Landebahn verantwortlich gemacht. Videoaufnahmen belegen jedoch, dass der A 320 mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit auf der Piste aufsetzte. In einem der Triebwerke soll zudem die Schubumkehr nicht funktioniert haben, die hartes Abbremsen der Maschine nach der Landung ermöglicht.

Der brasilianische Präsident hatte mitgeteilt, dass kein Land vor den Risiken neuer Flugzeugunfälle gefeit sei und, dass er Gott bitte, dass in Brasilien keine weiteren Katastrophen mehr geschehen. JÜRGEN VOGT