… Rainer Maria Woelki?
: Auf Berlin schwören

Etwas sehr pathetisch wirkte das alles anfangs – aber bald war nachzuvollziehen, warum ein wenig Pathos an dieser Stelle nicht ganz unangemessen war: Am Dienstagnachmittag leistete der designierte Erzbischof von Berlin, Rainer Maria Woelki, im Wappensaal des Roten Rathauses vor dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit einen Treueeid auf die Landesverfassung. Und das war, man glaubt es kaum, ein Novum, also ein, tja, historisches Ereignis. Mit einer feinen, ganz aktuellen Note.

Warum? Im preußisch-evangelisch geprägten Kaiserreich stand die katholische Kirche stets unter dem Verdacht, nicht ganz loyal zu Staat und Verfassung zu stehen. Im Kulturkampf wurden die Katholiken staatlicherseits arg bedrängt. Das war in der Weimarer Republik zwar längst verklungen, selbst an der Spree hielt man „die Katholen“ nun nicht mehr unbedingt für Staatsfeinde. Aber rechtlich wurde das Verhältnis von Staat und Kirche erst 1933 geregelt – durch ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich. Unterzeichnet wurde es von Eugenio Pacelli, dem späteren Pius XII., der einen schlechten Ruf hat, weil er öffentlich bestenfalls diplomatisch höchst verschlüsselt den Judenmord kritisierte. Und außerdem? Von Adolf Hitler.

Wegen der Diktatur bis 1945 und der Teilung der Stadt danach, vor allem wegen des Mauerbaus vor genau 50 Jahren hatte bisher kein Berliner Bischof den Treueeid auf die Verfassung geleistet – und das, obwohl der Eid harmlos ist. Denn er legt den Bischof lediglich darauf fest, die Verfassung zu achten und „in der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und die Interessen des deutschen Staatswesens“ zu handeln.

Woelki wie Wowereit aber hatten ganz eigene Interessen, den Treueeid mit neuem Gehalt, sagen wir: wiederauferstehen zu lassen. Der Regierende hatte im laufenden Wahlkampf mal wieder einen schönen Fototermin, der ihm zudem die Chance gab, ein paar lobende Worte über die religiöse Vielfalt der Stadt, ihre Toleranz und die guten katholischen Landeskinder zu verlieren. Der Erzbischof in spe nutzte dagegen die Möglichkeit, sich als weltoffen und -zugewandt zu präsentieren. Gerade weil es nach seiner Ernennung vor kurzem spitze Kommentare über seine Einstellung zur Homosexualität gab. Und das alles kurz vor dem Papstbesuch in Berlin. Ach, etwas Pathos putzt doch ganz ungemein!PHILIPP GESSLER Foto: dapd