Vietnam: Bauerndemo aufgelöst

Sicherheitskräfte gehen mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Protestierende vor

BERLIN taz ■ Seit mehreren Wochen hatten die Demonstranten ausgeharrt, doch in der Nacht zum Donnerstag schlug die Staatsmacht zu. Bei der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration in der südvietnamesischen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt – dem früheren Saigon – ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen hunderte protestierende Bauern vor. Nähere Angaben über die Zahl der Verletzten und Inhaftierten liegen internationalen Menschenrechtsorganisationen derzeit noch nicht vor.

Ähnlich wie das benachbarte China erlebt Vietnam einen atemberaubenden Wirtschaftsboom. Während die Grundstückspreise in dem dicht besiedelten Land explodieren, orientieren sich Entschädigungsgelder für enteignete Grundstücke an veralteten Marktpreisen. Enteignungen sind alltäglich: In den Speckgürteln rund um die Boom-Städte Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt werden immer mehr Reisfelder zu Bauland. Die Bauern verlieren für lächerlich geringe Entschädigungssummen ihre Existenz. Die Differenz zwischen den ausgezahlten Geldern und dem Marktwert landet oft in den Taschen der korrupten lokalen Funktionäre.

Zwischen 500 und 1.000 Bauern aus dem Mekongdelta , deren Wohnhütten und Reisfelder Bauplänen der Provinzregierung weichen sollten, hatten seit Wochen vor der Außenstelle der Parlamentes ausgeharrt. Ihre Hauptforderung: Der aus Ho-Chi-Minh-Stadt stammende Ministerpräsident Nguyen Tan Dung sollte in ihrem Konflikt mit Lokalbehörden vermitteln.

Ein Polizeisprecher hatte die Situation Anfang Juli so beschrieben: „Die Menschen haben Zelte auf dem Gehweg aufgebaut und Transparente aufgehängt. Sie forderten faire Entschädigungen für ihr Land und prangerten die lokale Korruption an.“ Unmittelbar vor der gestrigen konstituierenden Sitzung der neu gewählten Nationalversammlung räumten die Sicherheitskräfte nun das Zeltcamp.

Augenzeugenberichten zufolge ging die Polizei dabei nicht zimperlich vor. Wasserwerfer hätten die Demonstranten und ihre Zelte von der Straße gespült. Anschließend habe die Polizei Tränengas eingesetzt und etwa 200 Demonstranten in Busse geladen und in ihre Heimatdörfer verbracht.

Die vietnamesische Staatspresse, die zuvor über die Demonstrationen geschwiegen hatte, dementierte deren gewaltsame Auflösung. Der Zeitung Thanh Nien Online und dem Staatsfunk Voice of Vietnam zufolge seien die Demonstranten freiwillig in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt. Dies sei geschehen, nachdem die Bauern den Parlamentariern ihre „Anregungen“ gegen die Korruption und zur Rückgängigmachung von Zwangsenteignungen übermittelt hätten. Diese hätten die „Anregungen“ an die Provinzbehörden weitergegeben und Lösungen vor Ort angemahnt.

Allerdings: Mehrere Provinzregierungen hatten bereits vor zwei Wochen eingelenkt, einzelne korrupte Funktionäre abgesetzt und die Demonstranten zur Heimkehr aufgefordert. Die glaubten dem jedoch nicht und harrten in der Stadt aus, bestanden auf einer Vermittlung durch den Premier. MARINA MAI