TAZ-ADVENTSKALENDER: HABERLANDSTRASSE 8
: In Einsteins Sphären

8. DEZEMBER Gregorio Ortega Coto stellte bei einer Wohnungsbesichtigung im Bayerischen Viertel fest, dass Albert Einstein früher dort lebte. Er zog ein – und sammelte Geld für eine Stele

Wenn Gregorio Ortega Coto auf seinem Balkon steht, ist Albert Einstein in seinen Gedanken oft mit dabei. Der Spanier lebt in einer Dachgeschosswohnung im Bayerischen Viertel, in der Haberlandstraße 8, einem Ort mit besonderer Vergangenheit: 15 Jahre lang, von 1917 bis 1932, war der Physiker Albert Einstein hier zu Hause. Das ursprüngliche Haus, damals noch Nummer 5, existiert nicht mehr. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurde es zerbombt, wie fast alle Häuser in der Straße.

Genau an der Stelle, wo der Physiker damals zu Hause war, steht heute die Nummer 8, ein schlichter 50er-Jahre-Bau. Im Vorgarten, auf den Ortega von seinem Balkon hinunterschauen kann, befinden sich gleich zwei Denkmäler, die an den weltberühmten Einstein erinnern. Da ist zunächst ein älterer Stein mit leicht verblichener Schrift. Mehr ins Auge fällt eine Stele, bestückt mit Fotos und Informationen zum Leben Einsteins.

Auf derselben Höhe

Die hat Einstein Ortega zu verdanken. Der Autor zog 1970 von Spanien nach Deutschland. Zu der Wohnung an diesem geschichtsträchtigen Ort kam er dann vor 13 Jahren durch puren Zufall. „Ich ging zur Wohnungsbesichtigung in die Straße und entdeckte Einsteins Gedenkstein vor dem Haus. Das muss Schicksal sein, dachte ich sofort.“ Als er erfuhr, dass Einstein hier über ein Jahrzehnt lang gelebt hatte und sich die Wohnung auf gleicher Höhe im obersten Stock befand, wollte er unbedingt dort einziehen.

Seit seiner Jugend ist Ortega Einstein-Fan. „Ich habe so gut wie alles über ihn gelesen, was es an Büchern gibt“, erzählt er. Als er einzog, befand Ortega den kleinen Gedenkstein im Garten für zu wenig, um eine Persönlichkeit wie Albert Einstein zu würdigen, und setzte sich für etwas Größeres ein. Er sammelte Spenden. „Letztes Jahr wurde das Denkmal endlich aufgebaut“, sagt er. „Genau da, wo die Stele heute steht, ist früher Einstein durch die Tür in das Haus gegangen.“

Jeden Tag kommen Touristen vorbei, um den Ort zu besuchen, an dem der Wissenschaftler nicht nur wohnte, sondern auch forschte. „Einstein brauchte zum Arbeiten nur Stift und Papier. Damit setzte er sich in sein Turmzimmer und durfte fortan nicht mehr gestört werden“, erzählt Ortega. Neben seiner Arbeit hatte Einstein auch immer viel Besuch. Charlie Chaplin, Franz Kafka oder Max Planck – sie sollen in der Haberlandstraße ein und aus gegangen sein.

Für Gregorio Ortega ist der Ort eine Inspirationsquelle: „Einstein ist mir hier sehr präsent. Ich war schon immer fasziniert von seiner unkonventionellen Art.“ Oft klingeln Touristen bei ihm, die mehr über den Wissenschaftler und seine Geschichte hören wollen, erzählt er. Einige bringen kleine Geschenke mit. Ob Einsteinfiguren, Briefmarken aus Indien mit dem Kopf des Physikers oder Bücher – im Laufe der Jahre kam einiges zusammen.

Albert Einstein übe eine Faszination auf viele Leute aus, ist sich Ortega sicher. Sein wildes Aussehen und die verrückte Art machten ihn zu einem sympathischen Menschen. „Wenn Einstein heute hier auf dem Balkon stehen würde und all die Leute sehen könnte, die seinen alten Wohnort besichtigen wollen, würde er sich wohl sehr freuen.“ JASMIN ROSTAM