Klage wegen erschlichener Freundschaft

BESPITZELUNG Mitglieder der linken Szene in Heidelberg prozessieren gegen den Einsatz eines verdeckten Ermittlers, der ihr Leben ausforschte. Polizist hatte sich unter Tarnnamen an der Uni eingeschrieben

Eine Urlaubsbekanntschaft enttarnte den verdeckten Ermittler zufällig

FREIBURG taz | Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers gegen die linke Szene in Heidelberg wird gerichtlich überprüft. Sieben Personen aus dieser Szene haben jetzt beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage eingereicht. Sie sehen ihre Privatsphäre und ihre Menschenwürde verletzt.

Der Polizist Simon Bromma war von Ende 2009 bis 2010 in Heidelberg unterwegs. Er schrieb sich unter dem Tarnnamen Simon Brenner an der Uni ein, engagierte sich in studentischen Gruppen, vor allem der Kritischen Initiative (KI), und erschlich sich mit seiner hilfsbereiten Art zahlreiche Freundschaften. Über Aktivitäten und Strukturen der Szene schrieb er regelmäßig Berichte an seine Kollegen von der Polizei.

Dass Bromma/Brenner eigentlich Polizist ist, kam nur durch Zufall heraus; eine Urlaubsbekanntschaft hatte ihn enttarnt. Zur Rechenschaft gestellt, gab er an, dass sich der Einsatz gegen die Anitifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) gerichtet habe. Jetzt klagten sieben Mitglieder von KI und AIHD gegen den „rechtswidrigen“ Einsatz des Geheimpolizisten. Die Studenten und Angestellten im Alter bis zu 43 Jahren glauben, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Spitzeleinsatz nicht vorlagen.

Das Stuttgarter Innenministerium hatte sich auf das Landespolizeigesetz berufen. Danach ist der Einsatz von verdeckten Ermittlern zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erheblicher Bedeutung“ zulässig. In einer parlamentarischen Antwort spezifizierte das Ministerium im Februar: Man habe befürchtet, dass „bei zukünftigen Auseinandersetzungen mit der rechtsextremistischen Szene auch Brandsätze verwendet werden könnten“.

Als Beleg für solche Gefahren diente eine Hausdurchsuchung bei einer Landkommune 50 Kilometer von Heidelberg entfernt. Dort seien im Keller „mehrere gebrauchsfertige Brandsätze“ (gemeint sind wohl Molotowcocktails) gefunden worden. Nach Angaben der Bewohner, die nur losen Kontakt zur Heidelberger Szene haben, seien diese zur Notwehr bei Naziangriffen gedacht gewesen.

Michael Dandl von der Antifaschistischen Initiative hält die Begründung des Ministeriums für „an den Haaren herbeigezogen“. Daraus ergebe sich „keinerlei Hinweis, dass die Heidelberger Antifa erhebliche Straftaten plant“, sagte er jetzt zur taz. Die Begründung sei auch eindeutig vorgeschoben. „Die angeführte Hausdurchsuchung fand eine Woche statt, bevor Bromma seine ersten Berichte schrieb. Da war der verdeckte Ermittler also längst geschult und platziert.“

Da der Spitzeleinsatz bereits beendet ist, wurde die Klage als sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage eingereicht. Damit kann auch die Rechtswidrigkeit abgeschlossener staatlicher Maßnahmen überprüft werden, wenn eine Wiederholungsgefahr oder ein Rehabilitationsinteresse besteht. Eine Wiederholungsgefahr sieht Rechtsanwalt Martin Heiming, der die Klage formulierte, schon darin, dass nach Informationen der Antifa noch zwei weitere Under-Cover-Polizisten in Heidelberg aktiv sein sollen.

Eine Rehabilitation sei erforderlich, weil das Innenministerium den Einsatz nachträglich rechtfertigt habe. So sei der Eindruck erweckt worden, bei den überwachten Studenten handele es sich um „gewaltbereite Gefährder“. Außerdem seien die Privatsphäre und die Menschenwürde verletzt, wenn den Aktivisten „ohne eigenes Wissen“ staatlicherseits eine Freundschaft/Bekanntschaft zu einem polizeilichen Ermittler aufgezwungen werde.

Anwalt Heiming hofft jetzt auf Akteneinsicht. Er will wissen, was die Polizei in Heidelberg wirklich vorhatte. CHRISTIAN RATH