Villas Miseria

Keine der offiziell registrierten 31 Villas Miseria in der Innenstadt von Buenos Aires ist auf den Stadtkarten eingezeichnet. Dabei leben in ihnen mindestens hunderttausend der mehr als drei Millionen EinwohnerInnen der argentinischen Hauptstadt.

Unter der Militärdiktatur der Jahre 1976 bis 1983 wurde eine brachiale Abrissstrategie der Elendsareale betrieben. In den unangetasteten Vierteln siedelten sich Migranten an, vor allem aus Bolivien, Peru und Paraguay. Waren die Villas einst als Provisorien gedacht, so sind sie nun als prekäres Terrain fest verankert – gar mit Unterstützung der Stadtverwaltung, die sie heute nicht mehr abreißen, sondern urbanisieren will.

Doch die Villas bleiben ein Störfaktor im neuen Mythos von der „Normalisierung“ der Metropole nach dem Wirtschaftskollaps im Dezember 2001. Einen Sommer lang schienen die Grenzen zwischen den Menschen aus der abgestürzten Mittelschicht und den ohnehin Armen zu fließen. Inzwischen profitiert die Mittelschicht von der guten Konjunktur, Armut gilt wieder als Ausweis der Villas.

Müllsammler, die nachts die Abfalltüten von den Bürgersteigen einsammeln, sind wieder zu Gespenstern des Urbanen geworden: Sie sind noch da, doch man sieht sie nicht mehr. Monatelang nach dem Wirtschaftscrash haben noch Hunderttausende den Müll vorsortiert und in ordentlichen Tüten vor die Tür gestellt. Heute macht das niemand mehr.

In Buenos Aires wurde nach langen Jahren einer linksliberalen Stadtregierung jüngst der konservative Unternehmer Mauricio Macri zum Bürgermeister gewählt. Was unter ihm aus den Villas wird, ist offen. AH