weinprobe
: Rauchfrei genießen und Super tanken

2006 Rheingau Riesling trocken, Weingut Peter Jakob Kühn (Rheingau)

Nachdem Rauchen verboten ist, kommt man sich im rauch- und geruchsfreien Bordbistro des ICE ganz schön einsam vor. Wie schön daher, dass man seine Melancholie dort neuerdings positiv verstärken oder, je nach Veranlagung, auch null und nichtig trinken kann. Mit Weinen nämlich, die von Winzern gefüllt werden, die zu Deutschlands besten zählen. Der Rheingau Riesling von Peter Jakob Kühn aus Oestrich-Winkel ist das As im Bahnsortiment und gleichsam die Visitenkarte der Kühn’schen Weinkollektion, die zu den herausragenden des 2006er Jahrgangs in Deutschland zählt. Kühn, der seine Produktion seit einigen Jahren auf biodynamische Bewirtschaftung umstellt, ist es gelungen, dem zum Herbst hin feuchtwarmen und fäulnisempfänglichen Jahrgang nicht nur hochreife und geschmacksintensive, sondern auch absolut gesunde Trauben abzutrotzen. Ohne Zugabe von Reinzuchthefen und anderen Dopingmitteln vergärt er ihren Most in großen Holzfässern, Edelstahl- und Glasfasertanks zu höchst individuellen Weinen von bestechender Klarheit, Ausgewogenheit und natürlicher Ausdruckskraft. Höhepunkte seiner aktuellen Kollektion sind die von edler Fülle und faszinierender Transparenz gezeichneten edelsüßen Rieslinge. Doch auch die fruchtigen und trockenen Weine sind durch Klarheit, mineralische Finesse und schwerelose Eleganz geprägt – eine Trias, die das Wesen der Kühn’schen 2006er Rieslinge charakterisiert. Ein Viertelliterfläschchen des preiswerten, vom Alkoholwert eher leichtgewichtigen Rheingau Rieslings wird im Bahnbistro für 7,60 Euro abgegeben – samt Pilsglas. Dem Genuss tut dies keinen Abbruch, der Wein besitzt eine in dieser Preisklasse erstaunliche Geschmacksfülle und Nachhaltigkeit. Wer bereit ist, im Fachhandel 30 Cent mehr zu bezahlen, erhält dafür dreimal so viel Riesling wie in der Bahn. Mit der ausgewachsenen Flasche setzt man sich dann ins Großraumabteil und ist weit weniger einsam als im Bistro.

7,90 Euro. Wein & Glas Compagnie, Prinzregentenstraße 2, am Prager Platz, 10717 Berlin, Tel. 2 35 15 20, Fax 23 51 52 22

1 Liter Spätburgunder, Weingut Tesch (Nahe)

Unlängst haben sie bei Rock am Ring backstage seinen herzhaften Riesling Unplugged gekippt, als sei er Teil eines Flatrate-Angebots gewesen. Das hat Dr. Martin Tesch vom Weingut Tesch in Langenlonsheim an der Nahe wahnsinnig stolz gemacht, schließlich haben sie dort in den Jahren zuvor nicht Wein, sondern Bier, Schnaps und andere Drogen konsumiert. Nun also German Riesling. Seit Jahren bemüht sich Tesch darum, dem Wein alles Elitäre, Auratische und Komplizierte zu nehmen, ihn der schnieken Exklusivität der Fresstempel zu entreißen und in Stadien, Frittenbuden, Szenelokalen und Nachtclubs einer der Weinwirtschaft bislang desinteressiert erscheinenden Konsumentenschicht zuzuführen: den Leberwurstbrot- und Currywurst-Fans der Popkultur. Dass er dazu nicht die Qualitätsschraube nach unten dreht, sondern den Weinnovizen mit praktisch im Rohzustand, also ungeschliffen und ungeschminkt, abgefüllten Weinen erster Klasse die Geschmacksnerven schult, sollte sicherheitshalber erwähnt werden. Um neue Weintrinker zu rekrutieren, hat er seine Etiketten entrümpelt, ihnen bunte Farben und Fotos verliehen und einfache, auch englische Namen gegeben: Unplugged, Deep Blue, Five Miles Out. Wer bei Tesch eintauchen will, könnte mit 1 Liter Spätburgunder 2006 beginnen. Der mittelgewichtige Rotwein ist herrlich seidig und animierend fruchtig, mit extra viel Kirschen und einem Schuss Cassis. Das Etikett: ein altes Schwarzweißfoto aus Wirtschaftswundertagen, das einen Dandy an einem Opel Rekord zeigt, der an der Tankstelle von Langenlonsheim Super verbleit tankt. An Teschs Zapfsäule gibt es übrigens auch noch 1 (köstlichen) Liter Weißburgunder sowie 1 (rassigen) Liter Riesling. So macht Tanken Spaß!

6,90 Euro. Weinstein, Lychener Str. 33, 10435 Berlin, Tel. 4 41 18 42. STEPHAN REINHARDT