BRANDSTIFTER VOR GERICHT
: Was aus einem Samsung-Mitarbeiter wurde

„Ich wollte nur ins Gefängnis“, sagt Ralph N. vor dem Amtsgericht über sein Motiv, im Februar 2007 im Büro der Pankower Agentur für Arbeit Feuer zu legen. Wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung wurde der 41-Jährige gestern zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Ende 2005 entließ die Firma Samsung in Berlin ihre Mitarbeiter und überführte sie zum halben Lohn in eine Beschäftigungsgesellschaft. Unter ihnen befand sich auch Ralph N.: Sechs Jahre hatte N. als Maschinist gearbeitet. Bis März 2007 hätte er bei der Beschäftigungsgesellschaft bleiben können. Doch von 200 Euro konnte er nicht leben – so viel blieben ihm nach Abzug von Miete und den Raten für einen Kredit übrig.

Darum kündigte er zum Januar 2007 seine Wohnung. Doch die Kaution für eine billigere Unterkunft konnte er nicht aufbringen. Er kündigte deshalb auch seine Arbeit in der Beschäftigungsgesellschaft. Begründung: „So war ich für den Arbeitgeber postalisch nicht erreichbar.“

Ralph N. beantragte Arbeitslosengeld I, das ihm nach seinen Angaben in Höhe von 1.300 Euro zugestanden hätte. Von der Arbeitsagentur erfuhr er, ihm werde dieses Geld auch ohne Konto und festen Wohnsitz ausgezahlt. Anfang Januar 2007 besorgte er sich über das Sozialamt eine Unterkunft im Obdachlosenheim: Für das 15 Quadratmeter große Zimmer, das er sich mit jemandem teilte, sollte er knapp 400 Euro Miete zahlen. Das empfand N. als Wucher und zog nach zehn Tagen auf die Straße.

Anfang Februar hat er einen Termin bei der Leistungsabteilung der Arbeitsagentur. Dort teilt ihm die Sachbearbeiterin mit, er bekäme kein Geld, wenn er nicht innerhalb von zehn Tagen eine Wohnung nachweisen könne. „Da habe ich den Tisch abgeräumt“, sagt der Angeklagte. Ein Monitor und zwei Tastaturen im Wert von 500 Euro wurden beschädigt. Für diese Tat erklärt ihn der psychiatrische Gutachter vor Gericht für schuldunfähig: N. leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung aus DDR-Zeiten. Dem hochintelligenten, aber wohl darum auch schwer erziehbaren Knaben war aus politischen Gründen der weitere Schulbesuch nach der achten Klasse verwehrt worden.

Nach seinem polternden Auftritt in der Arbeitsagentur beschließt der Einzelgänger, sich helfen zu lassen – nicht in einer Beratungsstelle, sondern mit einer Einweisung ins Gefängnis. Er randalierte in einem Supermarkt mit Haschisch in der Tasche, doch die Polizei ließ ihn wieder laufen. Deshalb begab er sich zwei Wochen nach dem ersten Besuch wieder in die Arbeitsagentur, kippte fünf Liter Brennspiritus über den Schreibtisch der Sachbearbeiterin und zündete ihn an. Nach der zweiten Tat bekam N. im Gefängnis „ein Dach über dem Kopf“, wie er es formuliert. Er habe keinen anderen Ausweg mehr gesehen.

Für die zweite Tat ist er nicht schuldunfähig. Die Staatsanwältin fordert drei Jahre Haft für den nicht vorbestraften Mann, die Verteidigung ein Jahr. Das Gericht entscheidet anders und knüpft fünf Bedingungen an sein Urteil: N. muss sich umgehend polizeilich anmelden, eine Wohnung beziehen, sich einen Betreuer, einen Bewährungshelfer und eine Therapie suchen.

UTA FALCK