DIE STIMMEN DER ANDEREN
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De Volkskrant (Niederlande)

Fehler wie in Tunesien vermeiden

Dass sich der Ex-Präsident verantworten muss, ist ein gutes Zeichen. Selbst wenn Druck der Öffentlichkeit nötig war, um die Militärführung zu überzeugen. (…) Die Frage ist natürlich, ob Mubarak einen fairen Prozess bekommt. In Tunesien geriet das Verfahren gegen den verjagten Präsidenten Ben Ali zu einer Farce: Nach einem Prozesstag wurde er zu 35 Jahren verurteilt. Es ist zu hoffen, dass die Ägypter es besser machen und sich Zeit nehmen, um aus ihrer Geschichte zu lernen.

La Croix (Frankreich)

Transparenz ist nötig

Für den Justizapparat gilt es, der Willkür zu entkommen, die bisher herrschte. Das Beispiel Tunesiens zeigt einiges: Die Prozesse in Abwesenheit häufen sich gegen den früheren Diktator Zine El Abidine Ben Ali; rund hundert andere Ermittlungsfälle verursachen einen Eindruck der Verwirrung und schaffen Frustration. Husni Mubarak und seine Mitangeklagten müssen einen ausgewogenen und durchschaubaren Prozess bekommen. Auch Ägypten hat daran Interesse.

Le Figaro (Frankreich )

Hoher Symbolwert

In der arabischen Welt, in der Tyrannen sich ewig halten und die Macht nur an ihre Nachkommen weitergeben, hat das Gerichtsverfahren gegen Mubarak hohen symbolischen Wert. Die Militärs an der Macht stellen mit diesem Prozess die öffentliche Meinung zufrieden, ohne von ihrer Macht etwas abzugeben und ohne auf die Forderungen der Opposition nach Reformen eingehen zu müssen. Mubarak wird nicht für seine Regierungsweise der letzten 30 Jahre zur Verantwortung gezogen, sondern für illegale Bereicherung. Vermutlich dient es der Machterhaltung der Armee, der Bevölkerung den Kopf des ehemaligen Diktators vor die Füße zu werfen und dem Clan Mubarak alle Verantwortung für die Vergangenheit zuzuschieben.

The Times (Großbritannien)

Praxistest für Ägyptens Justiz

Der Prozess gegen Mubarak ist Teil des Impulses für Reformen, den die Protestbewegungen in der Region ausgelöst haben. Doch die Justiz muss sich erst in der Praxis bewähren. Sollte sich der Prozess endlos ohne Urteil hinziehen oder sollte der kranke Mubarak vor Prozessende sterben, so gäbe es für die Ägypter keine erkennbare Verantwortung für die gegen sie begangene Verbrechen.

El Mundo (Spanien)

Mehr Unterstützung bitte!

Obwohl sich die Übergangsperioden in Ägypten und Tunesien in die Länge ziehen, auf und ab gehen werden und enorme Schwierigkeiten überwinden müssen, verdienen sie jede wirtschaftliche und diplomatische Unterstützung des Westens. Denn dieser Prozess ist nicht umkehrbar, und die Ursachen sind völlig legitim. Die Konsolidierung des Arabischen Frühlings ist unerlässlich, damit in den anderen Ländern der Region, wie im kriegsgeschüttelten Libyen oder in Syrien und Jemen, wo die Panzer und die Sicherheitskräfte Tausende Demonstranten töten, die Demokratie aufkeimen kann.

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

Nur ein Königsopfer?

Mit Mubaraks erzwungenem Rücktritt am 11. Februar hat in Ägypten keine neue Zeitrechnung begonnen. Vonseiten der regierenden Armee jedenfalls sind kaum Impulse ausgegangen, die auf einen grundlegenden Systemwechsel hindeuten. Auch der Versuch einer juristischen Bewältigung des Mubarak-Regimes erfolgte nur unter dem Druck jener ausharrenden Aktivisten, deren Reihen auf dem Tahrir-Platz immer lichter wurden. Es wäre verfrüht, von einer verratenen Revolution zu sprechen. Noch aber fehlt dem Land eine Ordnung, die bürgerliche Freiheiten verbindlich festschreibt. Von der Armee wird dazu kein Anstoss kommen. Soll Mubaraks Sturz mehr sein als nur Königsopfer, braucht Ägypten seine Revolutionäre mehr denn je.