Weiter so, George!

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Selbst wenn es anders erscheinen mag – der Irak hat in den vergangenen Monaten in so mancher Hinsicht Fortschritte erzielt, „zufriedenstellende Fortschritte“ sogar. So jedenfalls stellt die US-amerikanische Regierung die Dinge in ihrem Zwischenbericht dar, den sie gestern dem Senat vorlegte. Bei rund der Hälfte der 18 politischen Ziele, die der Kongress im Januar formuliert hatte, seien Verbesserungen erzielt worden. Auch die Sicherheitslage habe sich insgesamt verbessert, selbst wenn sie weiterhin „komplex und extrem herausfordernd“ sei.

All das gebe „Grund zum Optimismus“, sagte Präsident George W. Bush gestern. Er wisse, dass dies ein „hässlicher Krieg“ sei, der die Psyche der Amerikaner beeinträchtige. Er habe Verständnis für die Kriegsmüdigkeit der Bürger, doch müssten diese wissen, dass die „Sicherheit Amerikas“ von einem Erfolg im Irak abhänge.

Zu den positiven Entwicklungen wird in dem Bericht der Umstand gezählt, dass in den letzten Monaten weniger Menschen religiös motivierten Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen seien. Auch die Kompetenz des irakischen Militärs sei größer geworden. Schlechter ist es dem Bericht zufolge um die politischen Ziele bestellt. So habe das irakische Parlament noch immer nicht damit begonnen, die dringend notwendigen Gesetze über die Ölindustrie und die Verwendung und Verteilung der Einnahmen aus dem Ölgeschäft auf den Weg zu bringen. Ebenso auf sich warten ließen ein Statut zur De-Baathifizierung und die Wahlen in den Provinzen. Schließlich seien Milizen nicht entwaffnet worden, insgesamt habe die irakische Regierung zu geringe Fortschritte erzielt. Kritisiert werden auch die syrische und die iranische Regierung. Syrien ermögliche es 50 bis 80 Selbstmordattentätern im Monat, in den Irak zu gelangen, der Iran unterstütze weiterhin schiitische Extremisten. Einen solchen Bericht hatte sich der Kongress ausbedungen, als er Anfang dieses Jahres Bushs „Aufstockungsstrategie“ und der mit ihr verbundenen Entsendung von 160.000 zusätzlichen Soldaten in den Irak zustimmte.

Der Bericht zur Lage im Irak wird seit Tagen von einer wachsenden Revolte in der republikanischen Partei des US-Präsidenten begleitet. Zudem erscheint er nur einen Tag nach einer düsteren Lage-Analyse von Geheimdienstexperten, die davon ausgehen, dass die irakischen Streitkräfte auf Jahre hinaus nicht in der Lage sein werden, die Sicherheit im Lande zu garantieren. Die anhaltenden Konflikte zwischen den Volks- und Religionsgruppen bildeten das größte Hindernis für eine friedliche Entwicklung.

Wie Bush bei mehreren Gelegenheiten in den letzten Tagen immer wieder betonte, hält er es noch für zu früh, um seine neue Strategie im Irak abschließend zu bewerten. Die Entsendung von 160.000 Soldaten sei erst vor wenigen Wochen abgeschlossen worden, daher werde die volle Wirkung erst in einigen Monaten zu spüren sein.

Doch derlei Vertröstung wollen die oppositionellen Demokraten nicht länger hinnehmen. Stattdessen möchten sie versuchen, Bush zu einem Truppenabzug aus dem Irak bereits im Sommer zu zwingen. So sollte am Donnerstag im Repräsentantenhaus eine Debatte beginnen, bei der die Demokraten den Abzug aus dem Irak bis zum April 2008 per Gesetz erreichen wollen. Unterstützt werden sie dabei von einer täglich wachsenden Zahl von republikanischen Senatoren.

Die bislang neun abtrünnigen Republikaner, darunter einflussreiche Senatoren wie Richard G. Lugar und John W. Warner, wollen, wie die Demokraten, dem Verteidigungshaushalt nur zustimmen, wenn dieser eine obligatorische Abzugsklausel enthält. Im Juni hatte Bush ein solches Unterfangen mit einem präsidialen Veto verhindert.