Die dritte Linksregierung in Folge

URUGUAY Bei der Stichwahl ums Präsidentenamt setzt sich der Kandidat der Frente Amplio klar durch. Zum progressiven Flügel gehört Sozialist Tabaré Vázquez allerdings nicht

In seiner ersten Amtszeit machte Vázquez sich die Tabakindustrie zum ärgsten Feind

VON JÜRGEN VOGT

BUENOS AIRES taz | Uruguays Linke jubelt wieder. Erwartungsgemäß und deutlich hat am Sonntag der Kandidat des linken Regierungsbündnisses „Frente Amplio – Breite Front“ und frühere Präsident Tabaré Vázquez die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. Vázquez kam auf 53,6 Prozent der Stimmen. Sein Kontrahent, der rechtsliberale Luis Lacalle Pou, kam auf 41,1 Prozent. Mit dem Sieg stellt die „Frente“ bereits zum dritten Mal in Folge den Präsidenten.

Vázquez regierte Uruguay bereits von März 2005 bis März 2010. Im ersten Wahlgang am 25. Oktober verpasste der ehemalige Sozialist mit 47,8 Prozent der Stimmen nur knapp die erforderliche absolute Mehrheit. Sein Konkurrent Luis Lacalle Pou erhielt in der ersten Runde 31 Prozent der Stimmen. Die Verfassung erlaubt keine zwei Amtszeiten in Folge, weshalb der derzeitige Präsident, José Mujica, nicht antreten durfte.

Wenn Vazquez am 1. März seine fünfjährige Amtszeit antritt, kann er sich in beiden Kammern des Kongresses auf eine knappe Mehrheit stützen. Bei den Parlamentswahlen am 25. Oktober gewann die Frente 50 von 99 Mandaten im Abgeordnetenhaus. Im Senat hatte sie am 25. Oktober die Hälfte der 30 Senatorensitze gewonnen. Da der gewählte Vizepräsident Raúl Sendic zugleich auch der zukünftige Senatspräsident ist, hat sie jetzt die Stimmenmehrheit.

Mit Spannung wird jetzt das neue Kabinett erwartet. Ein alter Bekannter ist bereits gesetzt. So wird der bisherige Vizepräsident und Vázquez’ erster Wirtschaftsminister, Danilo Astori, erneut das Wirtschaftsministerium übernehmen. Von dem äußerst gemäßigten Astori ist vor allem eine Fortführung des sozialliberalen Wirtschaftskurses zu erwarten. Uruguay erlebt seit 2005 ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 5,8 Prozent. Möglich ist, dass Astori mehr in Richtung bilateraler Handelsabkommen drängt. Sowohl er als auch Vázquez haben in der Vergangenheit immer wieder die Mitgliedschaft Uruguays in der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur in Frage gestellt.

Innerhalb der Frente Amplio gehört Vázquez nicht zu den progressiven Linken. Nicht wenige in der Frente halten ihn für einen autoritären und dialogresistenten Politiker, der sich permanent über parteipolitische Entschlüsse hinwegsetzt. Als ihm 2008 der Kongress sein Präsidentenveto gegen eine liberalere Abtreibungsgesetzgebung um die Ohren schlug und er Danilo Astori nicht als seinen Nachfolgekandidaten durchsetzen konnte, legte er den Vorsitz der Sozialistischen Partei nieder und trat aus der Partei aus. Seither ist er parteilos, steht aber den Sozialisten weiter nah.

Vázquez, am 17. Januar 1940 in einem Arbeiterviertel von Montevideo geboren, widmete sich zunächst der Medizin und dem Fußball. 1969 schloss er erfolgreich sein Medizinstudium ab und avancierte zum Spezialisten für Krebskrankheiten. 1985 stieg er zum leitenden Professor für Strahlentherapie an der Krebsabteilung der Universität auf. 1990 zog Vázquez als als erster linker Bürgermeister ins Rathaus der uruguayischen Hauptstadt Montevideo ein. 1994 und 1998 kandidierte er erfolglos um die Präsidentschaft, erst 2004 gewann er schon im ersten Wahlgang und trat am 1. März 2005 als erster linker Präsident Uruguays das Amt an.

Seinen Streit mit der Tabakindustrie vererbte Vázquez seinem Nachfolger. Als Präsident hatte er dafür gesorgt, dass Rauchen nur noch unter freiem Himmel oder in den eigenen vier Wänden gestattet ist. Tabakwerbung wurde verboten, ebenso die Bezeichnung bestimmter Sorten mit irreführenden Attributen wie „leicht“ oder „mild“. Jede Marke darf sich nur in einem Outfit präsentieren.

Seither tobt der juristische Zweikampf zwischen Philip Morris und dem uruguayischen Staat. Der Multi mit Sitz in Genf beruft sich auf ein Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Uruguay, die uruguayische Regierung auf ihr Recht, die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen.

Die Auseinandersetzung vor der Schiedsstelle der Weltbank ICSID wird weltweit aufmerksam verfolgt, auch wenn sie in den Medien nur wenig Wirbel verursacht. Einmal drohte Amtsnachfolger José Mujica angesichts der drohenden Schadenersatzsumme in schwindelnder Milliardenhöhe einzuknicken. Doch ein Anruf von Vázquez soll genügt haben. Ab März 2015 hat der Krebsspezialist das Zepter wieder selbst in der Hand.