NEBELMASCHINEN, GASMASKEN, GUMMIHANDSCHUHE UND PFIRSICHÖL
: Benutzt, aber gewaschen

VON SVENJA BEDNARCZYK

Ich wollte dieses Wochenende meine Großeltern in Nordrhein-Westfalen besuchen. Am Samstagmorgen musste ich aber zwei Stunden lang auf meinen Zug warten. Zwei Stunden, weil ich den ersten Zug verpasst habe. Ich habe ihn verpasst, weil ich zu lange Tee im Hauptbahnhof getrunken habe. Ich musste Tee im Hauptbahnhof trinken, weil ich keine Winterjacke hatte. Ich hatte keine Winterjacke, weil ich direkt von einer Fetischparty kam.

Unschuldiges Motto

Nein, keine wilde Swingerclub-Fetischparty, sondern eine unschuldige Geburtstagsparty unter dem Motto „Lack und Leder“. Aber ich habe weder warme Lack- noch Lederjacken – also ging ich ohne. Ich dachte, in U-Bahn und Zug werde ich es mit zwei Pullovern schon aushalten. Darunter trug ich ein eher unauffälliges schwarzes Kleid, musste damit ja dann zu Oma fahren. Als Fetisch-Accessoires brachte ich meine Mitbewohner zur Party mit. Sie kamen im Partnerlook: mit hautengem Top und Gasmaske. Die Masken waren bei einer WG-Party bei uns übrig geblieben. Ein Motto hatten wir damals nicht. Dafür hatten wir eine Nebelmaschine, sodass man in dem Raum überhaupt nichts sehen konnte und fast erstickte. Die Gasmasken hatten also durchaus Sinn. Mitgebracht haben sie irgendwelche Freunde von meinen Mitbewohnern nach einem Rapvideodreh. Aber mit HipHop kenne ich mich überhaupt nicht aus. Das konnte man auch wieder sehen, als ich ein paar Tage vor meiner Reise in einer Bar einen Typen anquatschte, mich artig mit ihm unterhielt und irgendwann fragte, was er beruflich mache. „Rapper“, sagte er. Von seinem T-Shirt, auf dem der Name seiner Gang stand, lies ich mich nicht beirren. „Ja klar“, pöbelte ich ungläubig unter dem Kopfschütteln meiner Freunde. Angeblich gibt es da gerade irgendein Lied von ihm über Beate Zschäpe, was ganz bekannt sein soll.

Aber zurück zur Party am frühen Samstagmorgen: Auch hier waren Nebelmaschine und Gasmasken wieder im Einsatz. Dazu Techno. Ich quatschte Leute an, stellte mich allen mit jeweils anderen Namen vor – macht man das nicht so auf Fetischpartys? – und flog regelmäßig auf, als die Mitbewohner dazukamen. Auf der Tanzfläche erkundigte ich mich bei einem Typen mit schwarzen Gummihandschuhen: „Sind die benutzt?“ „Ja“, antwortete er „aber gewaschen.“ Auch hier schaute ich wohl ungläubig, denn er sagte: „Pass auf, das fühlt sich gut an“, und streichelte mit seinen Sexhänden mein Handgelenk. Ich ekelte mich ein bisschen. Später wollte er mir Tantramassagen anbieten oder einen Vierer mit anderen Gästen. Ich lehnte dankend ab.

Die anderen nahmen das Motto offensichtlich ein bisschen ernster als ich. Die Versorgung der Gäste mit Alkohol hat die Gastgeberin bei irgendeiner Werbeaktion gewonnen. Vielleicht klappte das mit dem Fetischzeug bei den anderen deshalb so gut.

Ein Typ neben mir schlürfte Bier und hatte nur eine Socke an. Meine Mitbewohner knutschten mit irgendwem in einer Ecke. Vom Sofa aus glotzte mich einer durch seine selbst gebaute Maske aus Klebeband an. Als eine Frau begann, meinen Hals mit Pfirsichöl einzureiben, verabschiedete ich mich brav und machte mich eilig auf nach NRW – jackenlos. Die erste Stunde hatte ich auf den stündlich verkehrenden Zug warten müssen, weil ich Tee trank. Die zweite Stunde musste ich auf den Zug warten, weil der ICE kaputtging und ersatzlos ausfiel. Es war sehr kalt.