Zukunftsmusik?

DIGITALRADIO Heute geht DAB plus an den Start. Es ist der zweite Versuch. Viel Neues gibt es erst mal nicht

Versprechungen würden nicht erfüllt

„Die Voraussetzungen sind heute so günstig wie nie“, behauptet Martin Hülsmann, Sprecher des Radioanbieters Regiocast. Eine breite Allianz aus Programmveranstaltern, Senderbetreibern und Geräteherstellern habe sich zusammengefunden, um dem Digitalradio in Deutschland zum Erfolg zu verhelfen. Heute geht das Sendenetz offiziell in Betrieb. Mit dabei ist Regiocasts Spartensender 90elf. Bisher war der Sender, der sich ganz auf die Fußballberichterstattung konzentriert, nur über das Internet zu empfangen.

Clou der Technik: Zur Spielzeit kann der Sender seine Frequenz aufspalten und fünf Spiele parallel übertragen.Im Internet hat das Spartenangebot nach eigenen Angaben mit Liveübertragungen der Bundesliga bis zu einer Million Hörer erreicht. Mit den neuen Digitalfrequenzen können nun 57 Millionen Deutsche den Fußballsender empfangen. Zumindest theoretisch. Denn mit den alten UKW-Radios kann man das Programm nicht empfangen, viele Geräte mit DAB plus sollen erst zur Internationalen Funkausstellung im September in den Handel kommen.

Bereits in den neunziger Jahren hatte man in Deutschland versucht, den Digitalrundfunk zu etablieren – damals noch mit dem Standard DAB (Digital Audio Broadcasting). Doch es ergab sich schnell ein Henne-Ei-Problem: Ohne attraktive Programme blieben die Zuhörer aus, ohne Zuhörer lohnten keine Investitionen in neue Programme. Hinzu kamen Empfangsschwierigkeiten. Schließlich stellten viele Sender die Verbreitung per DAB ein. Der Digitalfunk schien gescheitert.

Mit dem überarbeiteten Standard wollen die Senderbetreiber den Teufelskreis sprengen. So sichern die Gerätehersteller den neuen Programmen ein Millionenwerbevolumen zu, um zumindest die Technik zu etablieren. „Die Frage ist aber mittelfristig, ob sich die Angebote im Werbemarkt refinanzieren können“, erklärt Christian Schalt, Geschäftsführer beim Berliner Sender Kiss FM. Der gehört zu den 14 Programmen, die ab August bundesweit mit der neuen Technik ausgestrahlt werden – zumindest in den Ballungsräumen, die in der ersten Ausbaustufe des Digitalradios erfasst sind.

Um einen Lokalsender zum bundesweiten Angebot zu machen, wird sich der Sender anpassen müssen. Berliner Verkehrsmeldungen sind für Hörer im tiefsten Bayern uninteressant. „Es ist eine Riesenaufgabe, Hörer davon zu überzeugen, ein neues Gerät zu kaufen – und relativ wenige Kanäle zu empfangen“, sagt Hans-Dieter Hillmoth, Geschäftsführer und Programmdirektor von Hit Radio FFH. „Andererseits gibt es Tausende von bekannten und neuen Radiokanälen im Netz über PC, Webradio und iPhone.“ Hillmoth möchte sich auf das Experiment einlassen und hat zwei Sendefrequenzen in Hessen beantragt.

Weniger optimistisch ist Kai Fischer, Geschäftsführer von Hit-Radio Antenne. „Wir haben keine Versorgungslücke bei der Verbreitung über UKW“, sagt Fischer. Er bezweifelt, dass Digitalradio für den Nutzer einen besseren Empfang gewährleisten kann als die bestehende Technik. Auch die inhaltlichen Versprechungen der Digitalradio-Befürworter würden nicht erfüllt. „Der politische Wille war, bundesweit neue Angebote zu etablieren, die die jetzige Radiolandschaft ergänzen. Davon sehe ich jedoch nichts“. Ausnahme sind das Wissensprogramm des Deutschlandradios, das bisher nur über das Internet ausgestrahlt wurde, und der Fußballsender 90elf.Zum Start der neuen Übertragung hat Regiocast die Fußball-Kommentator-Legende Manni Breuckmann engagiert. „Ich habe mir fest vorgenommen, bei 90elf Spuren zu hinterlassen“, sagt Breuckmann, der bis 2008 Fußballspiele für den WDR kommentiert hatte. Die Zukunft des Radios soll mit einer Stimme aus der Vergangenheit eingeläutet werden. TORSTEN KLEINZ