Clevere Gerätewahl

VERBRAUCHER Fair produzierte Elektronikprodukte gibt es noch nicht. Doch zahlreiche Initiativen haben sich die Forderung „Make IT Fair“ auf ihre Fahne geschrieben

■ Fairphone. Betriebsystem: Android/Alternatives. Hardware punktuell „fair“, austauschbarer Akku. Preis: ca. 325 Euro Info: www.fairphone.com

■ Jolla Phone. Betriebsystem: Sailfish OS (auf Linux-Basis). Hardware ohne faire Anteile, austauschbarer Akku. Preis: ca. 349 Euro. Info: www.jolla.com/jolla

■ Project Ara (Motorola/Google). Betriebsystem: Android. Modulare Hardware fürs Smartphone, ohne fairen Anteil. Einzelne Teile (inkl. Akku) austauschbar. Marktstart: 2015. Preis: unbekannt, abhängig von den verwendeten modularen Komponenten. Info: www.projectara.com

■ Firefox Phone OS. Das Firefox Betriebssystem OS kann auf diversen Smartphone-Modellen verschiedener Anbieter benutzt werden. Hardware ohne faire Anteile, Akku zum Teil austauschbar. Preis: ab ca. 100 Euro. Info: www.mozilla.org/de/firefox/os

VON ANSGAR WARNER

„Nieder mit IT!“, singen die Berliner Kabarettisten Pigor und Eichhorn. Doch die Chancen stehen eher schlecht: Mit Smartphones, Tablets und neuerdings Smartwatches ist die digitale Informationstechnik dabei, die letzten Winkel des Alltags zu erobern. Weltweit existieren allein 6 Milliarden Mobilfunkanschlüsse, rein rechnerisch sind damit fast 90 Prozent der Menschheit mobil erreichbar.

Keine perfekte Alternative

Die Regeln bestimmen dabei große Konzerne wie Apple und Google, Samsung und Microsoft – nicht gerade fair, und die perfekte Alternative dazu ist nicht in Sicht. Doch wer in den nächsten Wochen Elektronik verschenken möchte, kann durch clevere Gerätewahl gegensteuern. Denn zahlreiche Initiativen haben sich die Forderung „Make IT Fair“ auf ihre Fahne geschrieben, etwa die „Phonebloks“-Community, die Mozilla/Firefox-Bewegung, aber auch kleinere Start-ups wie FairPhone oder Jolla Phone.

Dabei führen verschiedene Wege zum Ziel: Manche Projekte werkeln an Hardware, die in puncto Sozial- und Umweltstandards nicht ganz so schlecht abschneidet wie der Durchschnitt, andere entwerfen Software, die den Nutzer weder bevormundet noch ausspioniert.

Speerspitze sind immer noch die Fairphones aus den Niederlanden – dort wird bereits bei den Ressourcen angesetzt, die zur Herstellung notwendig sind. Allerdings lassen sich bislang nicht alle rund 60 verschiedenen Materialien überprüfen, die in einem Mobiltelefon enthalten sind. Beim Fairphone hat man sich deshalb zunächst auf zwei Metalle konzentriert. Das Gerät enthält fair geschürftes Coltan und Zinn, bei der nächsten Version soll auch faires Gold dazukommen. Auch die Montage der Einzelteile in Asien findet unter fairen Bedingungen statt – Ziel ist die Einhaltung von Kernarbeitsnormen, wie sie von der International Labour Association (ILO) festgelegt wurden.

Das erste Fairphone hat sich seit Ende 2013 fast 40.000-mal verkauft, zeigt aber vor allem, wie schwer es aufgrund komplexer globaler Lieferketten ist, die Produktionsbedingungen von Elektronik auf breiter Front zu verändern. Immerhin soll es laut offizieller „Roadmap“ im nächsten Jahr ein Gerät geben, das noch fairer daherkommt. Der Endkunde erhält mit dem Fairphone 1.0 grundsätzlich schon heute für 325 Euro ein Android-Smartphone, das sich technisch im oberen Mittelfeld bewegt und dank austauschbarem Akku und Display die langfristige Nutzung ermöglicht. Wer will, kann zudem statt Googles Android ein alternatives Betriebssystem aufspielen.

Von vornherein beim Betriebssystem setzt das finnische Jolla Phone an, entwickelt von einem kleinen Team aus ehemaligen Nokia-Mitarbeitern und einer großen Community, finanziert durch Crowdfunding. Das Smartphone läuft mit Sailfish OS, einer auf Linux basierenden Benutzeroberfläche, die weitgehend mit Wischgesten bedient wird. Das muss auch so sein: Außer einem Ausschaltknopf bringt das 349 Euro teure Gadget nämlich keine weiteren Tasten mit. Neben einer begrenzten Anzahl an Sailfish-eigenen Apps kann man auch Android-Apps auf dem Gerät installieren. Mit speziellen Rückseitencovern soll sich das Jolla Phone künftig hardwaretechnisch erweitern lassen, etwa mit einer Tastatur. Auch der Akku ist austauschbar.

Deutlich günstiger als das Anfang 2014 erschienene Jolla Phone kann man derzeit auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo das Jolla Tablet vorbestellen – das 8-Zoll-Gerät kostet nämlich nur um die 200 Dollar, ausgeliefert wird es aber erst im nächsten Frühjahr.

Noch stärker modular ausgelegt als der Ansatz von Jolla ist „Ara“, ein Projekt ausgerechnet aus dem Hause Google: Das aufgebaute „Baukasten-Phone“ besteht aus einer Art Skelett aus Aluminium, dem sich verschiedene Bauteile zufügen lassen. Neben unterschiedlichen Displays, Kameras oder Prozessoren können auch personalisierte Rückseitenabdeckungen aus dem 3-D-Drucker genutzt werden. Die einzelnen Module soll man online bestellen können, entwickelt werden sie von unterschiedlichen Herstellern – doch der Marktstart wird frühestens im Herbst 2015 stattfinden.

Baukastenprinzip

Manchen dürfte dieses Projekt bekannt vorkommen. Tatsächlich hatte der dänische Designer Dave Hakkens mit Phonebloks bereits im Vorjahr ein ähnliches Modulkonzept vorgestellt, das noch stärker auf die Vermeidung von Elektronikabfall ausgelegt war. Die Phonebloks-Community kooperiert mittlerweile allerdings mit Motorola – und Google. Der Suchmaschinenriese wirbt nun für Ara unter anderem mit dem Argument, man könne einzelne Teile schneller erneuern, hofft also wohl auch auf noch kürzere Innovationszyklen.

Da könnte es am Ende dann doch nachhaltiger sein, auf ein alternatives Betriebssystem wie Firefox OS zu setzen: Denn die vom Browser zur mobilen Benutzeroberfläche erweiterte Software der gemeinnützigen Mozilla Foundation läuft sehr gut selbst auf langsameren Smartphones, Einsteigergeräte gibt’s schon ab 100 Euro. In naher Zukunft wird der flammende Fuchsschwanz wohl auch auf Tablets und Smartwatches zu sehen sein.