London weist alle libyschen Diplomaten aus

GROSSBRITANNIEN Die Regierung erkennt den Übergangsrat in Bengasi an und will Vermögenswerte für die Rebellen freigeben. Gleichzeitig handelt sich das Land Kritik des Internationalen Strafgerichtshofs ein

LONDON/BERLIN rtr/taz | Großbritannien hat alle Angehörigen der libyschen Botschaft in London ausgewiesen und den Rat der Rebellen als alleinigen Vertreter des nordafrikanischen Landes anerkannt. „Diese Entscheidung spiegelt die wachsende Legitimation des Nationalen Übergangsrates wieder“, sagte Außenminister William Hague am Mittwoch in London. Die Regierung fordere den Rebellenrat auf, einen Gesandten nach London zu schicken. Die Vertreter von Machthaber Muammar Gaddafi müssten das Land verlassen.

Hague erklärte weiter, sein Land suche nach Wegen, den Rebellen den Zugriff auf eingefrorene libysche Vermögen zu gestatten. „Das Vereinigte Königreich ist nach einer Anfrage der Arabian Gulf Oil Company, einer libyschen Ölfirma, bereit, 91 Millionen Pfund aus Aktien des Unternehmens in Großbritannien zugänglich zu machen“, sagte Hague. Das Geld dürfe aber nicht für eventuelle Verstöße gegen UN-Resolutionen, wie etwa das Waffenembargo, verwendet werden. Vielmehr sollte damit die Versorgung der Bevölkerung mit dem Nötigsten bezahlt werden.

Deutschland reagierte zunächst zurückhaltend auf den Vorstoß. Zwar werde immer überlegt, wie im Bereich der Diplomatie mit Libyen umgegangen werden sollte, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Diese „Gedanken“ seien aber noch nicht entscheidungsreif.

Großbritannien war nach Frankreich am Montag von der Position abgerückt, Gaddafi müsse zurücktreten und das Land verlassen. Jetzt kann sich die britische Regierung auch vorstellen, dass er nach einem Machtverzicht in Libyen bleibt. Immer mehr Nato-Staaten nähern sich dieser Position an.

Der Kurswechsel der britischen Regierung rief unterdessen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) auf den Plan. Wie der britische Guardian berichtete, insistiert der ICC darauf, dass eine neue libysche Regierung gemäß dem am 27. Juni ausgestellten internationalen Haftbefehl Gaddafi festnehmen müsse. Großbritannien und Frankreich sind Mitgliedsstaaten des ICC.

Florence Olara, Sprecherin des Chefanklägers, wies gegenüber der Zeitung darauf hin, dass die Haftbefehle gegen Gaddafi und zwei weitere Personen „juristische Tatsachen“ seien, die „nicht verschwinden können“. Da der UN-Sicherheitsrat den Strafgerichtshof beauftragt hatte, die Möglichkeit eines Haftbefehls zu prüfen, müsste das Gremium den Haftbefehl per Resolution suspendieren. Doch das ist wenig wahrscheinlich.