JÜRGEN KEHRER, FÜRCHTE DICH NICHT
: Die wilde Zeckenverschwörung

Vor lauter Bösen in allen möglichen Institutionen geht der Grusel vor mutierten Zecken irgendwann unter

Das Marketing mancher Verlage hat dem Regionalkrimi zu einiger Verbreitung verholfen – und zu einem zweifelhaften Ruf. Sind Regionalkrimis wirklich so provinziell? Das will diese Serie in loser Folge ergründen.

Zecken haben großes Ekelpotenzial und sind daher prima Hauptdarsteller in einem Krimi. Sie lauern unbemerkt im Gras, verstecken sich an den unmöglichsten Körperstellen, saugen Blut und können böse Viren übertragen, die zum Beispiel die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auslösen. Wobei letzteres in Norddeutschland eigentlich kaum eine Rolle spielt, denn hiesige Zecken sind in den meisten Fällen harmlos. Und auf den Nordseeinseln sind sie ohnehin eine Rarität. Nicht so in Jürgen Kehrers Thriller „Fürchte dich nicht!“, der gerade als Taschenbuch erschienen ist.

Kurz vor einem internationalen Gipfeltreffen von Spitzenpolitikern tauchen auf Norderney plötzlich Zecken auf der Insel auf, die eine bis dato unbekannte FSME-Form übertragen. Die Verantwortlichen vom Innenministerium, die den Gipfel seit Monaten vorbereiten, wollen die Zeckenproblematik unter Verschluss halten. Zu groß wäre die Schmach, das Treffen so kurzfristig absagen zu müssen. Aber der Norderneyer Kommissar Martin Geis will sich damit nicht zufrieden geben und die Bevölkerung warnen. Gemeinsam mit der Berliner Zeckenforscherin Viola de Monti versucht er, hinter das Geheimnis des mutierten Virus zu kommen – und schließlich werden beide vom Dienst suspendiert. Offenbar passt es jemandem nicht, was die beiden herausgefunden haben: Wer von der genmanipulierten Zecke gestochen wird, verliert jede Hemmung, leidet unter Wahnvorstellungen und maßloser Selbstüberschätzung. So springt ein Junge vom Leuchtturm auf Norderney in den Tod, weil er nach dem Stich einer infizierten Zecke glaubt, fliegen zu können.

Geis und de Monti ermitteln auf eigene Faust weiter. Ihre Nachforschungen führen die beiden, die sich im Laufe ihrer Flucht vor den Häschern des Innenministeriums näher kommen, nach Münster und damit auf heimisches Terrain von Kehrer, der vor allem durch seinen Münsteraner Privatdetektiv Georg Wilsberg bekannt geworden ist. Zurück auf Norderney kommt es schließlich zum großen Showdown, mit Schafskäse, dem englischen Premierminister und einer wilden Zeckenverschwörung.

Kehrers Wissenschafts-Polit-Regional-Thriller spielt schön mit der Angst vor mutierten und unkontrollierbaren Viren, ist handwerklich einwandfrei und sauber recherchiert. Nur leider geht der Verschwörungstheoretiker ein wenig mit ihm durch. Vor lauter Bösen in allen möglichen Institutionen geht der Grusel vor mutierten Zecken irgendwann unter. ILKA KREUTZTRÄGER

Jürgen Kehrer, Fürchte dich nicht!, Grafit-Verlag, 335 S., 9,90 Euro.

Jürgen Kehrer und seine Ehefrau Sandra Lüpkes lesen aus ihren Inselkrimis: heute, 20 Uhr, Conversationshaus auf Norderney; morgen, 20.15 Uhr, Haus des Kurgastes auf Juist