Die Kosten trägt Berlin

KUNSTERBEN Die „Vereinbarung zum Nachlass von Cornelius Gurlitt“ stellt klar: In Deutschland verbleiben nur Werke unklarer Herkunft, alles andere geht in die Schweiz

„Bei der Raubkunst wird strikt die Washingtoner Erklärung angewandt“

STIFTUNGSRAT CHRISTOPH SCHÄUBLIN

VON THOMAS GERLACH

BERLIN taz | Die Erleichterung ist Kulturstaatsministerin Monika Grütters an diesem Montagvormittag ins Gesicht geschrieben, als der Schweizer Christoph Schäublin, Präsident des Stiftungsrates des Kunstmuseums Bern, verkündet, dass das Gremium am 22. November beschlossen hat, das Erbe von Cornelius Gurlitt anzutreten.

Der Kunsthändlersohn Gurlitt, der am 5. Mai 2014 mit 81 Jahren starb, hat dem Museum in seinem Testament die etwa 1.500 Kunstwerke vermacht, die 2012 in München und 2014 in Salzburg gefunden wurden und von denen Hunderte im Verdacht stehen, NS-Raubkunst zu sein. Viele andere Werke stammen aus der Aktion „Entartete Kunst“ von 1937, bei der moderne Kunst beschlagnahmt und ins Ausland verkauft wurde.

Die Wahl Gurlitts habe das Museum zwar „im höchsten Maße überrascht“, bekennt Schäublin. Andererseits habe Gurlitt sein Haus „aufgrund klarer Überlegungen und aus wohlbedachten Motiven als Erbin eingesetzt.“ Eine Anspielung auf Teile der Gurlitt-Familie, die seit letzter Woche mithilfe eines Gutachtens den Geisteszustand des Kunstsammlers infrage stellen und so die Gültigkeit des Testaments in Zweifel ziehen.

Keinesfalls wollte man „krämerhaft“ an all die heiklen Fragen herangehen, die mit der Erbschaft verbunden sind, sagt Schäublin. Und so unterzeichnen Grütters, Schäublin und der bayrische Justizminister Bausback eine „Vereinbarung zum Nachlass von Cornelius Gurlitt“, in der von „großer historischer Verantwortung“ die Rede ist und die die Modalitäten klärt, wie mit dem Erbe des Verstorbenen umgegangen werden soll.

Dabei unterschied man klar zwischen Raubkunst und „entarteter Kunst“. Bei der Raubkunst werde „strikt die Washingtoner Erklärung angewandt“, betont Stiftungsrat Schäublin. „Über die Schwelle des Museums kommen keine Werke, die sich als Raubkunst erweisen.“

Alle Werke unklarer Herkunft bleiben demnach in Deutschland, wo die seit Anfang des Jahres eingesetzte „Taskforce Schwabinger Kunstfund“ die Bilder prüfen wird. Die Kosten dafür trage Berlin. Sollte sich der Raubkunstverdacht bestätigen, würden die Werke zügig restituiert, ergänzt Monika Grütters. Die Kosten dafür übernehme der Bund. Wenn das nicht möglich sei, sollen die Werke in Deutschland ausgestellt werden, auch mit dem Ziel, Anspruchsberechtigte doch noch zu ermitteln.

Bislang hat die Taskforce nur bei wenigen Bildern den Verdacht der Raubkunst bestätigt. Dabei handelt es sich um die „Sitzende Frau“ von Henri Matisse, die den Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg gehört, sowie Max Liebermanns „Zwei Reiter am Strand“. Die Spitzweg-Zeichnung „Das Klavierspiel“ falle ebenfalls unter die Kategorie Raubkunst, bestätigt Monika Grütters. Sie gehörte dem jüdischen Musikverleger Henri Hinrichsen aus Leipzig, dessen in London lebende Erben schon 2013 Anspruch darauf erhoben hatten.

Zum Umgang mit den Werken der „entarteten Kunst“ sind Grütters und Schäublin wortkarger. Bilder dieser Kategorie stehen, sofern sie nicht gleichzeitig Raubkunst sind, dem Berner Museum nach geltender Rechtslage zu, sagt Schäublin. Allerdings sollen die Museen, aus denen die Kunstwerke 1937 entfernt wurden, bei Leihanfragen „prioritär“ behandelt werden. Damit ist eine Rückgabe an die Herkunftshäuser vom Tisch. Diese Möglichkeit hatte in der vergangenen Woche die frühere Bundesverfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach angeregt. Ihre Begründung: Das NS-Gesetz von 1938 sei unwirksam.