nebensachen aus genf
: Radtour zum UNO-Gebäude mit Hindernissen

Ein seltenes Bild bot sich Mitte voriger Woche auf dem UN-Gelände in Genf. Vor dem Hauptportal des Palais des Nations posierten rund 30 RadfahrerInnen mit ihren Drahteseln. Unter ihnen der frühere Minister Adolf Ogi. Seit 2001 fungiert er als Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs, verantwortlich für die Förderung des Sports im Dienst von Entwicklung und Frieden. In dieser Funktion und als aktiver Radler hatte Ogi die Schirmherrschaft übernommen für eine Aktion zur Förderung der umweltfreundlichen Mobilität und Gesundheit: „Bike to work – Mit dem Fahrrad zur Arbeit“.

Im Rahmen der Aktion verpflichteten sich rund 34.000 Schweizer Berufstätige aus 607 eidgenössischen Firmen, im gesamten Juni das Fahrrad zu benutzen. Die 2005 erstmals durchgeführte Aktion ist ein voller Erfolg. 34.000 Teilnehmer in diesem Jahr bedeuten einen Zuwachs um 50 Prozent gegenüber 2006. Das wichtigste Ergebnis der beiden vorigen Jahre aber ist, dass ein Drittel der Teilnehmer an der Aktion dauerhaft aufs Fahrrad umgestiegen sind.

Bei der UN in Genf hat die Aktion bislang keine spürbaren Folgen. Von den mehr als 2.500 ständigen UN-Mitarbeitern und rund 120 Journalisten kommen im Jahresschnitt pro Tag weniger als 2 Prozent mit dem Rad. Noch fahrradunfreundlicher fällt die Statistik aus, wenn man die Diplomaten und Botschaftsmitarbeiter berücksichtigt. Insbesondere die Diplomaten fahren fast immer mit dem Wagen vor. Und diese Autos werden von Jahr zu Jahr größer, benzindurstiger und damit umweltfeindlicher.

Dabei gäbe es, selbst wer nicht auf das Fahrrad umsteigen möchte, in Genf inzwischen ein attraktives Angebot zumindest ökologischer Alternativen zum Auto. Unter dem für Umwelt und Verkehr zuständigen Genfer Regierungsrat Patrick Mugny – einem der beiden Präsidenten der Grünen Partei – wurde der Wiederaufbau des in den 60ern stillgelegten Straßenbahnsystems begonnen. Inzwischen fahren direkt vor dem Haupteingang des UN-Gebäudes zwei Tramlinien auf Vorzugsstraßen ins Zentrum und zum Hauptbahnhof. In alle anderen Richtungen verkehren vom UN-Gebäude aus in dichter Taktfolge Busse, die inzwischen überwiegend mit Erdgas betrieben werden. Weniger als 20 Minuten braucht ein direkter Bus zum Flughafen Genf.

Für die wenigen, die bisher zur Arbeit im UN-Gebäude mit dem Rad kommen, haben sich die Bedingungen seit Beginn der Aktion „Bike to work“ nicht verbessert, sondern verschlechtert. Als Reaktion auf den Anschlag auf die UN-Zentrale in Bagdad im August 2004 wurden Zufahrten und Eingänge zum Genfer UNO-Gelände festungsmäßig ausgebaut und die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Wer mit einem Fahrzeug auf das Gelände will, muss nach der Ausweiskontrolle zwei Schranken passieren. Diese heben sich erst, wenn man mit einem Gewicht von mindestens 200 Kilo vorfährt. Fahrradfahrer stehen daher oft vor verschlossener Schranke und müssen warten, bis ein Auto kommt. An Wochenenden kann das bis zu einer Viertelstunde dauern.

ANDREAS ZUMACH