berliner szenen Volltreffer in Treptow

Gulasch und schwanger

Wir sitzen in einem Restaurant in Treptow und ich esse gerade einen Teller Gulasch, als meine Frau plötzlich meint: „Ich bin übrigens schon zehn Tage drüber.“ In so einem Moment wird einem schummrig, während das Herz beschleunigt. Etwas schlägt ein wie eine Bombe und wird unwiderruflich verknüpft mit Alltäglichem. Man kann zum Beispiel gerade im Fernsehen einen Bericht über Delphine anschauen, dann wird man für den Rest seines Lebens eine besondere Verbindung zu Delphinen haben.

Da ich aber in diesem Moment Gulasch esse, werde ich in Zukunft wohl ein besonderes Verhältnis zu Gulasch haben. Ich schlucke. „Zehn Tage“, wiederhole ich in Gedanken. Und da ich keinen anständigen Satz zustande bringe, fügt Anne mit stolzem Lächeln hinzu: „Es fühlt sich an wie ein Volltreffer.“

Wenig später stehen wir in der nächsten Apotheke und lassen uns die zur Auswahl stehenden Produkte zeigen. Es gibt welche in schlichtem Weiß mit dezenter Aufschrift und andere in bunten Farben mit schöner Schnörkelschrift. Letztere wohl für gewollte Schwangerschaften, Erstere für die Mitteilung einer Hiobsbotschaft. Wir entscheiden uns für Proud Parents in Schnörkelschrift, nachdem uns eine ältere Frau mit den Worten „Das ist mit Abstand die schönste Packung“ darin bestätigt. Eine halbe Stunde später sitze ich zuhause am Tisch vor einer aufgerissenen Packung Proud Parents. Mir ist schlecht, und wäre die Toilette nicht anderweitig besetzt, würde ich mich vorsorglich gern dort aufhalten. Aber ich bin tapfer. Ich schließe die Augen und warte. Alles ist still. Bloß mein Herz pocht wilde Rhythmen. Dann geht die Türe auf und jemand, den ich sehr gern mag, ruft in schöner Schnörkelschrift: „Grün! Es ist grü-ün!!“ JOCHEN WEEBER