Mutter wegen Totschlags verurteilt

Das Landgericht Lübeck verurteilt eine 24-Jährige zu drei Jahren Haft, die ihr Baby nach der Geburt tötete. Sie habe Angst gehabt, ihre Lehrstelle zu verlieren. Gericht: Sie hatte Hilfsangebote, die hat sie ausgeschlagen

Natürlich hat es Bianca P. nicht geschafft, ihre Schwangerschaft zu verheimlichen. Mehrfach haben Kolleginnen sie auf ihren dicken Bauch angesprochen. Nur vor sich selber konnte sie die Lüge aufrechterhalten. Alle Fragen hat sie ruppig abgeblockt. Am 25. April 2006 brachte Bianca P., 24 Jahre, Auszubildende aus Eutin, zur Mittagszeit alleine ein Baby zur Welt und tötete es gleich nach der Geburt. Das Landgericht Lübeck verurteilte sie gestern wegen Totschlags in einem minder schweren Fall zu drei Jahren Haft.

Bianca P. ist bereits Mutter von zwei Kindern. Dass sie das dritte Baby tötete, hat sie vor Gericht gestanden. Sie habe Angst gehabt, ihre Lehrstelle zu verlieren, sagte sie, „die war meine erste und letzte Chance auf ein neues Leben“. Deshalb leugnete sie die Schwangerschaft und hoffte darauf, es werde sich alles irgendwie von selbst regeln.

Doch nichts regelte sich von selbst. Der Geburtstermin rückte heran, die Wehen setzten ein. Bianca P. stieg auf den Dachboden über der Garage des Hauses, in dem sie lebte, und brachte dort ihr Kind zur Welt. Dann schlang sie einen Pullover und ein Elektrokabel um den Hals des kleinen Jungen und zog zu, mindestens fünf Minuten lang. Das tote Baby wickelte sie in eine Decke, steckte es in eine Plastiktüte und packte es in einen Karton. Dann ging sie zurück in die Wohnung und spielte Videospiele, als ob nichts geschehen sei. Wiederum waren es die Kolleginnen, die die Veränderung bemerkten. Sie verständigten die Polizei, als Bianca P. plötzlich viel dünner als am Vortag bei der Arbeit erschien.

Die zierliche, dunkelhaarige Frau scheint selbständig und stark. Den Hauptschulabschluss, den sie wegen der Geburt ihres ersten Kindes im Alter von 16 Jahren nicht machen konnte, holte sie später auf der Abendschule nach. Dann, inzwischen schon Mutter von zwei Kindern, hat sie sich den Ausbildungsplatz zur Einzelhandelskauffrau gesucht. „Sie wollte zeigen, was sie kann“, so das Gericht.

Auf der anderen Seite aber steht eine junge Frau, die über ihre frühe Mutterschaft in die Rolle einer Erwachsenen gestoßen wurde, die sie noch nicht war. Für ihr Alter sei sie unreif, urteilte das Gericht. Bianca P. habe nicht gelernt, Probleme zu erkennen, geschweige denn zu lösen. Mit ihrem Freund, dem Vater des zweiten Kindes und des getöteten Babys, hat sie die Abende vor der Playstation oder dem Fernseher verbracht. „Man ist sprachlos über die Sprachlosigkeit, die in dieser Beziehung herrschte“, sagte der Vorsitzende. Dass Bianca immer dicker wurde, hat ihr Partner einfach ignoriert, wenn er es denn überhaupt bemerkte. Irgendwann ist der Freund nach Grömitz gezogen, weil er dort einen Job in einer Bäckerei bekam. Er hat es Bianca P. mitgeteilt, dann war er weg.

Trotz allem beteuerte sie vor Gericht, mit ihren Lebensumständen nicht überfordert gewesen zu sein. Da brach sich wieder die starke Frau in ihr Bahn, die das Leben im Griff haben wollte. Das aber hält das Gericht ihr vor: Wirklich hilflos, sagte der Vorsitzende, war sie nicht. Sie hatte Kolleginnen, die Anteilnahme zeigten. Eine Betriebsrätin aus dem Kaufhaus, in dem sie arbeitete, hatte sie zur Seite genommen und über ihre Rechte aufgeklärt. „Sie hätte die Hilfe nur annehmen müssen.“

Die Kammer wies den Versuch der Verteidigung zurück, die Therapiebedürftigkeit von Bianca P. in den Vordergrund der Beurteilung zu stellen. „Es ist auch wichtig zu sehen: Trotz vieler Hilfsangebote hat sie ihr Baby getötet.“ ELKE SPANNER