Kritik im Wandeln

Zwei Architekturkritiker halten einen Plausch auf dem Sandtorkai: Beim ersten von sieben Rundgängen durch die Hafencity ließ man die Neubauten auf sich wirken und bewertete ihre architektonische Relevanz

Zwei Architekturkritiker einigten sich diesen Mittwoch darauf, dass die Hafencity „verhältnismäßig gelungen“ sei. Heinrich Wähning aus Hamburg und Falk Jaeger aus Berlin beginnen ihre Führung durch die Hafencity im Kesselhaus, dem in den Worten Jaegers „sehr schön umgebauten“ alten Heizhaus. „Bevor das alles stand, war es hier schöner. Aber das ist ja immer so“, sagt Wähning. Dem Dialog der beiden kann man durch die Windgeräusche hindurch über Kopfhörer lauschen.

Heinrich Wähning befand am Sandtorkai, dass „die vielen einzelnen Elemente mit der Handschrift des jeweiligen Architekten sich in diesem Areal gegenseitig eher abschwächen“. Jaeger bestätigte das am Beispiel der „lustigen“ Fassaden mit ihren „springenden“ Fenstern. „Hier sieht man die aktuelle Tendenz, sinnlos zu variieren. Das wird man später sehr genau zurückdatieren können.“ Vor dem Haus mit dem Namen „Ocean’s End“ – „ein Name, der die dahinter liegenden Gebäude entwertet“, wirft Wähning ein – wird die Lösung des hochwassergeschützten Sockelbereiches diskutiert. „Normalerweise baut Ingenhoven eleganter“, lässt sich Jaeger vernehmen. „Da haben Sie aber noch nicht die Messe gesehen“, kontert Wähning.

Am Kippelsteg findet Jaeger den Fluchtweg für den Hochwasserfall „reichlich kippelig“. Die Gruppe begibt sich auf die Wasserseite. Viel Beton überall. An der Wand hängt vereinzelt ein Aschenbecher. „Ein Café reicht eben nicht aus“, bemerkt Wähning. Der Blick in Richtung Elbphilharmonie verleitet Jaeger zu einem kurzen Exkurs. „Die ersten Pläne waren noch hübsch undetailliert, jetzt könnte es kritisch werden. Denn Bilder lügen“, sagt Jaeger. „Es ist auf jeden Fall ein gewalttätiger Bau“, findet Wähning.

Es geht um den Bau herum, hinein in ein Foyer: „Hier aber hat man den Blick auf das Meer“, spricht Wähning. Die Blickweite des Meeres ist jedoch begrenzt. Bereits auf der gegenüberliegenden Seite fällt das Bürogebäude von Chipperfield ins Auge. Wähning findet es „ein bisschen uninspiriert“. Jaeger pflichtet ihm bei: „Was ein Architekt nicht kann, sollte er besser lassen.“

Auch das „mediterrane Flair“ auf den Magellan-Terrassen, wie Jaeger es nennt, kommt nicht wirklich rüber. Auf den Terrassen ist niemand zu sehen, über den Freitreppen regnet es in Strömen. KATRIN BONNY