Nazis auf Nachwuchssuche im Netz

RECHTSEXTREMISMUS Neonazis wollen in den sozialen Netzwerken vermehrt Jugendliche ködern – oft mit vermeintlich harmlosen Botschaften. Jugendschützer sehen Facebook und YouTube in der Pflicht

BERLIN taz | Zu Beginn ist das Bild dunkel, die Musik getragen und nur einige unscharfe Lichtpunkte sind zu sehen. Dann ziehen Menschen mit Fackeln durch die Straßen, sie tragen weiße Masken. Ein Video bei YouTube im Internet. Das Ziel: Neugier wecken. Die Zielgruppe: vor allem Jugendliche. Die Macher: Neonazis, die den „Tod des deutschen Volkes“ fürchten.

Autonome Nationalisten und andere rechtsextreme Gruppen setzen zunehmend auf YouTube, Facebook oder Twitter, um Jugendliche zu erreichen. Diesen Befund präsentierten Jugendschützer am Donnerstag in Berlin. Die länderübergreifende Einrichtung jugendschutz.net, die unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) gefördert wird, hat im vergangenen Jahr 6.000 rechtsextreme Beiträge im Web 2.0 gezählt, dreimal so viele wie im Vorjahr.

Im Web 2.0 erreichen die Rechtsextremen die Jugendlichen direkter und können sie auch auf Seiten locken, die indiziert und deshalb von Suchmaschinen unauffindbar sind, erklärt Stefan Glaser von jugendschutz.net.

Viele Eltern sind bei diesem Thema offenbar überfordert. Martin Ziegenhagen, Leiter der „Online-Beratung gegen Rechtsextremismus“, berichtet von einer steigenden Zahl an Anfragen. Er fordert, dass der Umgang mit den sozialen Netzwerken in die Lehrpläne der Schule aufgenommen wird.

Oberstes Ziel der Jugendschützer ist es, dass rechtsextreme Inhalte aus dem Netz getilgt werden. Bei Webseiten oder Videos, die auf Servern im Ausland liegen, laufen die Bemühungen allerdings oft ins Leere. Da vieles zudem strafrechtlich nicht zu beanstanden ist, fordert Glaser ausdrücklich von Facebook und YouTube, mehr gegen „Hasspropaganda“ zu unternehmen.

BpB-Präsident Thomas Krüger appelliert an die Netzgemeinde, stärker für demokratische Grundwerte einzutreten. Einzelne Initiativen gibt es, sie sind aber nicht unbedingt erfolgreich. So hat die Seite „Kein Facebook für Nazis – NPD Seite löschen!“ mehr als 400.000 Fans. Aber die Initiatoren haben seit fast einem Jahr keine Inhalte mehr eingestellt. Und die NPD-Seite bei Facebook existiert nach wie vor. SEBASTIAN ERB